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nach Xanten bringen sollte. Wider Erwarten waren auf dem eine ¼ Stunde vor der Stadt liegenden Bahnhofe in Xanten nur wenige Menschen zu sehen; je näher wir aber in die Stadt hineinkamen, desto dichter wurden die Spaliere der Xantener Bevölkerung, die wohl noch niemals ein solches Schauspiel, eine Gerichtsverhandlung auf offener Straße, gesehen hatte. Aber auch alle Fenster und Dächer waren mit Neugierigen dicht besetzt.

In Schaaren waren die Leute herbeigeströmt, um sich diese Personen anzusehen, die über den weltbewegenden „Fall Buschhoff“ zu Gericht sitzen. Es waren wohl zahlreiche Gendarmen und Polizei-Sergeanten aufgeboten, auf militärische Hilfe war aber noch im letzten Augenblick verzichtet worden. Die gestern geäußerte Befürchtung war auch absolut grundlos, denn die Bevölkerung zeigte sich wohl sehr neugierig, im Uebrigen herrschte geradezu musterhafte Ruhe. Der Angeklagte Buschhoff wurde, soweit ich beobachten konnte, auch nicht durch einen Zuruf behelligt. Als er in die Nähe seines in der Kirchstraße belegenen Hauses kam, begann er heftig zu weinen. Das kleine, einfache, einstöckige Landhäuschen gleicht vollständig einer Brandruine. An der Vorderfront stand, augenscheinlich mit schwarzer Kohle: „Mörderhaus“, „Mörder“, „Koscher Metzger“ und etwas höher zwei Kreuze angekritzelt. Daß das Haus einmal Fenster hatte, davon geben eine große Anzahl in den Stuben umherliegende Glassplitter beredtes Zeugniß. Außer einem gleich am Hauseingang stehenden festen eichenen Ladentisch ist in dem Häuschen Alles kurz und klein geschlagen. Jüdische Gebetbücher liegen in Fetzen zerrissen unter allerlei zerschlagenen Möbelresten in den Stuben. Die eingeschlagenen Fenster hatte der Bürgermeister durch Holzbretter ersetzen lassen. Aber auch diese waren zum Theil demolirt. Wie Bürgermeister Schleß mittheilte, sind gestern fremde Radfahrer in’s Städtchen gekommen und haben unter dem Rufe: „Nieder mit dem Juden-Bluthaus“ Alles demolirt, was noch irgend zu demoliren war.

Die Xantener Polizeibeamten waren, während die Demolirung geschah, zu der Militäraushebung kommandirt. Als Buschhoff in sein Haus geführt wurde und die Trümmer seiner Besitzung sah, schlug er unaufhörlich die Hände zusammen und sagte weinend: „Mein Gott, mein Gott, was ist aus meinem Hause geworden!“ Als das Schwur-Gericht versammelt war, wurde zunächst das Buschhoff’sche Haus in Augenschein genommen.