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Parteirichtung – der Präsident des Allgemeinen Deutschen Arbeiter-Vereins, Reichstags-Abgeordneter Dr. v. Schweitzer, der ja bekanntlich auch eine Anzahl guter Dramen verfaßt hat, die ebenfalls mit großem Erfolge aufgeführt wurden. Im Tunnel des Nationaltheaters herrschte fast allabendlich ein reger Verkehr und – die fröhlichste Heiterkeit. Prinz Georg, den man auch fast allabendlich in dem Tunnel sah, sagte einmal: „Das Leben im Tunnel des Nationaltheaters muß selbst den Griesgrämigsten heiter stimmen. Grillen haben in diesen Räumen keine Stätte.“ Prinz Georg war bei den besseren Homosexuellen, und zwar bei Alt und Jung wegen seiner geradezu bezaubernden Leutseligkeit ungemein beliebt, so daß ihm zu seinen Geburtstagen stets zahllose Glückwunschtelegramme zugingen. Das Nationaltheater war Sammelpunkt der Homosexuellen, bis es im Frühjahr 1883 durch Feuersbrunst vom Erdboden verschwand.[WS 1] Es gab aber noch eine Anzahl anderer Zusammenkunftstätten. Mitte der 1870er Jahre war ein Sammelpunkt der Homosexuellen ein ziemlich primitives Kellerlokal, der in der Krausenstraße belegene „Krausentunnel“. Später war ein besuchter Sammelpunkt ein in der Oberwallstraße, in unmittelbarer Nähe des Hausvogteiplatzes belegenes Kellerlokal genannt „Gambrinus“; da dies um 11 Uhr abends seine Pforten schließen mußte, so begaben sich die Besucher, Alt und Jung, nach Schluß des „Gambrinus“ nach einem Parterrelokal in der Neuen Wilhelmstraße, oder auch nach einen besseren Kellerlokal am Hausvogteiplatz. Gleichzeitig war Zusammenkunft in einem Kellerlokal in der Werderschen Rosenstraße, in unmittelbarer Nähe des Königlichen Marstalls, und zwar hauptsächlich, weil dort die Marstalljungen in ihrer kleidsamen Uniform verkehrten. Ein sehr bekannter Treffpunkt der Homosexuellen war 1879/80 ein größeres, aber ziemlich primitives Parterrelokal in der Brüderstraße,

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Beim Brand am 4. April 1883 stand das Theater unter der Leitung eines Benno von Donat. Letzter erfolgreicher Direktor des National-Theaters war von 1879 bis 1882 C(arl) F(erdinand) van Hell (1848–1906).