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neu sind. Es ist also nicht so, daß man einen Sexualtrieb erkennt, der von Anfang an die Strebung nach dem Ziel der Sexualfunktion, der Vereinigung der beiden Geschlechtszellen, trägt. Sondern wir sehen eine große Anzahl von Partialtrieben, von verschiedenen Körperstellen und Regionen her, die ziemlich unabhängig von einander nach Befriedigung streben und diese Befriedigung in etwas finden, was wir Organlust heißen können. Die Genitalien sind die spätesten unter diesen erogenen Zonen, ihrer Organlust wird man den Namen: sexuelle Lust nicht mehr verweigern. Nicht alle dieser nach Lust strebenden Regungen werden in die schließliche Organisation der Sexualfunktion aufgenommen. Manche von ihnen werden als unbrauchbar beseitigt, durch Verdrängung oder anderswie, einige werden in der vorhin erwähnten, merkwürdigen Weise von ihrem Ziel abgelenkt und zur Verstärkung anderer Regungen verwendet, noch andere bleiben in Nebenrollen erhalten, dienen zur Durchführung einleitender Akte, zur Erzeugung von Vorlust. Sie haben gehört, daß sich in dieser lang hingezogenen Entwicklung mehrere Phasen einer vorläufigen Organisation erkennen lassen, auch wie sich aus dieser Geschichte der Sexualfunktion ihre Abirrungen und Verkümmerungen erklären. Die erste dieser prägenitalen Phasen heißen wir die orale, weil entsprechend der Art, wie der Säugling ernährt wird, die erogene Mundzone auch beherrscht, was man die sexuelle Tätigkeit dieser Lebensperiode heißen darf. Auf einer zweiten Stufe drängen sich die sadistischen und die analen Impulse vor, gewiß im Zusammenhang

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Sigmund Freud: Neue Folge der Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse. Internationaler Psychoanalytischer Verlag, Wien 1933, Seite 135. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Freud_Neue_Folge_der_Vorlesungen_zur_Einfuehrung_in_die_Psychoanalyse_1933.pdf/135&oldid=- (Version vom 21.5.2018)