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Sigmund Freud: Eine Teufelsneurose im Siebzehnten Jahrhundert. In: Imago: Zeitschrift für Anwendung der Psychoanalyse auf die Geisteswissenschaften, 9. Bd., H. 1, S. 1-34

Das Trophaeum gibt auch sichere Auskunft über diesen Punkt. Er war schwermütig geworden, konnte nicht, oder nicht recht arbeiten und hatte Sorge um die Erhaltung seiner Existenz, also melancholische Depression mit Arbeitshemmung und (berechtigter) Lebenssorge. Wir sehen, daß wir es wirklich mit einer Krankengeschichte zu tun haben, erfahren auch, welches die Veranlassung dieser Erkrankung war, die der Maler selbst in den Bemerkungen zu den Teufelsbildern geradezu eine Melancholie nennt („solte mich darmit belustigen und melancoley vertreiben“). Von unseren drei Quellen erwähnt zwar die erste, der Geleitbrief des Pfarrers, nur den Depressionszustand („dum artis suae progressum emolumentumque secuturum pusillanimis perpenderet“), aber die zweite, der Bericht des Abtes Franciscus weiß auch die Quelle dieser Verzagtheit oder Verstimmung zu nennen, denn hier heißt es „accepta aliquâ pusillanimitate ex morte parentis und dementsprechend auch in der Einleitung des Kompilators mit den nämlichen, nur umgestellten Worten: ex morte parentis accepta aliquâ pusillanimitate. Es war also sein Vater gestorben, er darüber in eine Melancholie verfallen, da näherte sich ihm der Teufel, fragte ihn, warum er so bestürzt und traurig sei, und versprach ihm „auf alle Weiß zu helfen und an die Handt zu gehen“[1].

Da verschreibt sich also einer dem Teufel, um von einer Gemütsdepression befreit zu werden. Gewiß ein ausgezeichnetes Motiv nach dem Urteil eines jeden, der sich in die Qualen eines solchen Zustandes einfühlen kann und der überdies weiß, wie wenig ärztliche Kunst von diesem Leiden zu lindern versteht. Doch würde keiner, der dieser Erzählung soweit gefolgt ist, erraten können, wie der Wortlaut der Verschreibung an den Teufel (oder vielmehr der beiden Verschreibungen, einer ersten, mit Tinte und einer zweiten, etwa ein Jahr später, mit Blut geschriebenen, beide angeblich noch in der Schatzkammer von Mariazell vorhanden und im Trophaeum mitgeteilt), wie also der Wortlaut dieser Verschreibungen gelautet hat.


  1. Bild 1 und Legende dazu auf dem Titelblatt, der Teufel in Gestalt eines „Ersamen Bürgers“.
Empfohlene Zitierweise:
Sigmund Freud: Eine Teufelsneurose im Siebzehnten Jahrhundert. In: Imago: Zeitschrift für Anwendung der Psychoanalyse auf die Geisteswissenschaften, 9. Bd., H. 1, S. 1-34. Internationaler Psychoanalytischer Verlag, Leipzig und Wien 1923, Seite 9. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Freud_Imago_9-1.djvu/9&oldid=- (Version vom 1.8.2018)