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Sigmund Freud: Eine Teufelsneurose im Siebzehnten Jahrhundert. In: Imago: Zeitschrift für Anwendung der Psychoanalyse auf die Geisteswissenschaften, 9. Bd., H. 1, S. 1-34

viel dazu bei, unser sonst schwankendes Urteil über den Krankheitsfall zu festigen, und wir haben guten Grund, den Geistlichen zu danken, daß sie dies Dokument erhalten haben, obgleich es ihrer Tendenz nichts mehr leistet, ja diese eher gestört haben mag.

Ehe ich aber in die Zusammensetzung der kleinen handschriftlichen Broschüre, die den Titel führt:

Trophaeum Mariano-Cellense,

weiter eingehe, muß ich ein Stück ihres Inhalts erzählen, das ich dem Vorbericht entnehme.

Am 5. September 1677 wurde der Maler Christoph Haitzmann, ein Bayer, mit einem Geleitbrief des Pfarrers von Pottenbrunn (in Niederösterreich) nach dem nahen Mariazell gebracht[1]. Er habe sich in Ausübung seiner Kunst mehrere Monate in Pottenbrunn aufgehalten, sei dort am 29. August in der Kirche von schrecklichen Krämpfen befallen worden, und als sich diese in den nächsten Tagen wiederholten, habe ihn der Praefectus Dominii Pottenbrunnensis examiniert, was ihn wohl bedrücke, ob er sich wohl in unerlaubten Verkehr mit dem bösen Geist eingelassen habe[2]. Worauf er gestanden, daß er wirklich vor neun Jahren zu einer Zeit der Verzagtheit an seiner Kunst und des Zweifels an seiner Selbsterhaltung dem Teufel, der ihn neunmal versucht, nachgegeben und sich schriftlich verpflichtet, ihm nach Ablauf dieser Zeit mit Leib und Seele anzugehören. Das Ende des Termins nahe mit dem 24. des laufenden Monats[3]. Der Unglückliche bereue und sei überzeugt, daß nur die Gnade der Mutter Gottes von Mariazell ihn retten könne, indem sie den Bösen zwinge, ihm die mit Blut geschriebene Verschreibung herauszugeben. Aus diesem Grund erlaube man sich miserum hunc hominem omni auxilio destitutum dem Wohlwollen der Herren von Mariazell zu empfehlen.


  1. Das Alter des Malers ist nirgends angegeben. Der Zusammenhang läßt einen Mann zwischen 30 und 40, wahrscheinlich der unteren Grenze näher, erraten. Er verstarb, wie wir hören werden, im Jahre 1700.
  2. Die Möglichkeit, daß diese Fragestellung dem Leidenden die Phantasie seines Teufelspaktes eingegeben, „suggeriert“ hat, sei hier nur gestreift.
  3. quorum et finis 24 mensis hujus futurus appropinquat.
Empfohlene Zitierweise:
Sigmund Freud: Eine Teufelsneurose im Siebzehnten Jahrhundert. In: Imago: Zeitschrift für Anwendung der Psychoanalyse auf die Geisteswissenschaften, 9. Bd., H. 1, S. 1-34. Internationaler Psychoanalytischer Verlag, Leipzig und Wien 1923, Seite 3. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Freud_Imago_9-1.djvu/3&oldid=- (Version vom 1.8.2018)