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Sigmund Freud: Eine Teufelsneurose im Siebzehnten Jahrhundert. In: Imago: Zeitschrift für Anwendung der Psychoanalyse auf die Geisteswissenschaften, 9. Bd., H. 1, S. 1-34

Tinte verschrieben, „deinde vero“, später aber mit Blut. Er setzt sich also über die ausdrückliche Angabe der beiden Berichte, daß eine Verschreibung ins Jahr 1668 fällt, hinweg und vernachlässigt die Bemerkung im Attest des Abtes, daß sich zwischen beiden Verschreibungen die Jahreszahl geändert, um im Einklang mit der Datierung der beiden, vom Teufel zurückgegebenen Schriftstücke zu bleiben.

Im Attest des Abtes findet sich nach den Worten sequenti vero anno 1669 eine in Klammern eingeschlossene Stelle, welche lautet: sumitur hic alter annus pro nondum completo uti saepe in loquendo fieri solet, nam eundum annum indicant Syngraphae quarum atramento scripta ante praesentem attestationem nondum habita fuit. Diese Stelle ist ein unzweifelhaftes Einschiebsel des Kompilators, denn der Abt, der nur eine Verschreibung gesehen hat, kann doch nicht aussagen, daß beide dasselbe Datum tragen. Sie soll wohl auch durch die Klammern als ein dem Zeugnis fremder Zusatz kenntlich gemacht werden. Was sie enthält, ist ein anderer Versuch des Kompilators, die vorliegenden Widersprüche zu versöhnen. Er meint, es sei zwar richtig, daß die erste Verschreibung im Jahre 1668 gegeben worden ist, aber da das Jahr schon vorgerückt war (September), habe der Maler sie um ein Jahr vordatiert, so daß beide Verschreibungen die gleiche Jahreszahl zeigen konnten. Seine Berufung darauf, man mache es ja im mündlichen Verkehr oft ähnlich, verurteilt wohl diesen ganzen Erklärungsversuch als eine „faule Ausrede.“

Ich weiß nun nicht, ob meine Darstellung dem Leser irgendeinen Eindruck gemacht und ob sie ihn in Stand gesetzt hat, sich für diese Winzigkeiten zu interessieren. Ich fand es unmöglich, den richtigen Sachverhalt in unzweifelhafter Weise festzustellen, bin aber beim Studium dieser verworrenen Angelegenheit auf eine Vermutung gekommen, die den Vorzug hat, den natürlichsten Hergang einzusetzen, wenngleich die schriftlichen Zeugnisse sich auch ihr nicht völlig fügen.

Ich meine, als der Maler zuerst nach Mariazell kam, sprach er nur von einer regelrecht mit Blut geschriebenen Verschreibung, die bald verfallen sollte, also im September 1668 gegeben war, ganz so wie

Empfohlene Zitierweise:
Sigmund Freud: Eine Teufelsneurose im Siebzehnten Jahrhundert. In: Imago: Zeitschrift für Anwendung der Psychoanalyse auf die Geisteswissenschaften, 9. Bd., H. 1, S. 1-34. Internationaler Psychoanalytischer Verlag, Leipzig und Wien 1923, Seite 24. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Freud_Imago_9-1.djvu/24&oldid=- (Version vom 1.8.2018)