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deutschen Bergsage aber verblaßte das Bild des staufischen Titanen noch stärker. Seine staatliche und geistige Schöpferkraft hatte sich fern vom Kernlande des Imperium ausgewirkt und nichts Bleibendes in Deutschland und für Deutschland hinterlassen, das an ihn erinnerte. Er, der die deutsche Zerrissenheit unheilbar gemacht und das Reich mit sich in die Grube gerissen hatte, war kein rechter Träger der Hoffnungen auf Erneuerung der Kaiserherrlichkeit. Ein anderer trat ganz unmerklich an dessen Stelle: Barbarossa, der Heros der Hochzeit deutscher Größe und deutschen Lebens! Genannt wird der Rotbart als Held der Kaisersage erst in dem Volksbuch vom Jahre 1519.

Mit diesem nationalen Helden wird auch die Kaiserherrlichkeit wieder auferstehen. So kündete jetzt die Sage in den nachfolgenden Jahrhunderten einem Volke, das sich nicht aufraffen konnte zu dem Willen zur Nation, das sich in Zukunftsträumen verlor und die Schicksalsforderung der Deutschen, in dem von allen Seiten gefährdeten Herzlande Europas allzeit ein Kämpfer zu sein, überhörte. Immerhin! Die Barbarossa-Sage hat das Gedenken an die gewaltigen Kraftnaturen der deutschen Geschichte und an die deutsche Größe in der Vergangenheit hinübergerettet in die Zeit, da Geist vom Geiste jener Kraftmenschen, welche die Sage feierte, in den ersten Jahrzehnten des neunzehnten Jahrhunderts den Einheitsgedanken zum Einheitsdrange steigerte. Die Kaisersage in mannigfacher dichterischer Verklärung wurde der Ausdruck eines zur Erkenntnis der eigenen Kraft gelangten nationalen Wollens, seitdem Friedrich Rückert ihr die epische Form gegeben und darnach noch die Verse gedichtet hatte:

„Es steht auf einem Feld
des Reiches dürrer Baum
und wartet, bis der Held
erwacht aus einem Traum.

Wenn der aufhänget kühn
am Baume seinen Schild,
dann wird der dürre grün,
dann blüht das Reichsgefild“

Abb. 86. Königssiegel Manfreds in Montecassino
Nach Erbach-Fürstenau, Die Manfredbibel
Leipzig, K. W. Hiersemann

Für diesen Vers nahm Rückert die Farben von den Farben jenes Jahrtausende alten Bildes des Gottes, der über den Weltenbaum den Himmelsmantel breitet.

Diese Mär vom Gotte, wie die vom Kaiser ist nunmehr verklungen.

Des „Reiches Baum“ ragt noch empor. Sein üppiges Land, das er wiedergewann, hat ihm der Sturm genommen. Kein Herrschafts- und kein Fruchtbarkeitszauber wird es ihm wiedergeben. Erst wenn seine tiefer grabenden Wurzeln in dem Erdreich, dem er entwachsen ist, die lebendigen Adern eines großen, starken, selbstbewußten, nationalen Willens aufgespürt haben, wird, wie dereinst, wieder sprossen sein weltenweites Geäst.