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anderer Zeiten noch einmal der uralte orientalische Gedanke von dem in den Berg sich am Abend zurückziehenden und dann am Morgen wieder glorreich aus ihm emporsteigenden Tagesgestirn aus. Das Mittelstück des alten Weltbildes: der Weltenberg mit dem Sonnentisch erhebt sich demnach noch als Hintergrund für die Gestalt des Helden. Der Zauber dieses Sonnenmythus umstrahlt, aber wandelt auch die Züge Kaiser Friedrichs, seitdem dieser nicht als der der Hölle verfallene Antichrist, sondern wie Artus als zukünftiger Heilbringer in das Wunderreich des Bretonen entrückt ward.

Abb. 83. Relief vom Sarge der Konstanze von Aragonien. Palermo, Kathedrale. Aufnahme Alinari, Florenz

Das Raunen dieser sizilischen Ätnasage wurde in Italien übertönt von den stauferfeindlichen, auf die letzten Dinge der Welt und der Menschen gerichteten Weissagungen, die jetzt, nachdem der Held der Unheilserwartungen hinweggerafft war, den Antichrist aus dessen Nachkommenschaft erwarteten. Was romantische Dichtung in Italien erzählte, was der Haß dort verhieß, das drang auch über die Alpen. Fahrende Sänger oder deutsche Ritter, die für des Staufers „heiligen Stamm“ das Schwert im Süden zogen, werden mit den allbeliebten Liedern von König Artus auch die Mär von Kaiser Friedrich dem Andern in die deutsche Heimat getragen haben. Durch Anhänger jenes Joachim erhielt diese aber auch Kunde davon, daß immer noch Verheißungen eines Strafgerichtes über die sündige Kirche umliefen. Der dichterischen Mär vermählte sich in Deutschland das Sehnen nach Reform der Kirche.

Gierig greifen weitere Kreise des deutschen Volkes das Gerücht von dem geheimnisvollen Verschwinden des Kaisers auf, dessen nahes befreiendes Werk als Hammer der verweltlichten Kirche ihnen ja, bald hier, bald dort, verheißen worden war. Jans der Enenkel trägt in seine Chronik ein: „Dar nâch der Kaiser wart verholn, den Kristen allen vor verstoln, wan nieman west diu maere wa er hin kommen waere.“ In ein Nirgendheim von der Art der Gralsburg, in der die toten und doch nicht toten Vollendeten Aufnahme finden, irgendwo zwischen Himmel und Erde, sucht unser Volk zuerst seinen der Welt entrückten Kaiser. Wußten die „Hundert alten Novellen“ in Italien von dem Wunderstein, dem Sonnenstein des östlichen Mythus zu erzählen, der ehedem auf dem Sonnentische lag, und den der Priesterkönig Johann dem Kaiser Friedrich II. sandte, so wird in deutschen Dichtungen des ausgehenden dreizehnten Jahrhunderts die Wundereigenschaft des Steins, unsichtbar zu machen, besonders hervorgehoben. Die Erregung, die das Gerücht vom Fortleben Friedrichs in Deutschland hervorrief,