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Zieht er auch u. a. bei seinem Versuche, die Mechanik des Vogelfluges klar zu stellen, die „Mechanik“ heran, welche damals dem Aristoteles zugeschrieben wurde, so wagt er es doch, auf Grund seiner besseren Beobachtungen selbst dieser Autorität zu widersprechen: „Dem Aristoteles sind wir gefolgt, wo es sein mußte. In mehr Fällen aber scheint er, wie wir durch Erfahrung gelernt haben, besonders bei der Natur gewisser Vögel von der Wahrheit abzuweichen. Deshalb sind wir dem Fürsten der Philosophen nicht in allem gefolgt … denn selten oder nie hat Aristoteles die Vogeljagd betrieben; wir aber haben sie immer geliebt und geübt.“ Vielleicht hat der Kaiser selber, da er sich ja der Kunst des Zeichnens rühmt, seinem Buche erläuternde Bilder beigegeben. Jedenfalls enthielt das von seinen Feinden 1248 bei Parma erbeutete Exemplar Bilder, welche sich in den zahlreichen Abschriften wiederfinden. Durch dieses Buch darf Friedrich neben Albertus Magnus und Roger Bacon der dritte große Empiriker des dreizehnten Jahrhunderts genannt werden.

Dieser Kaiser, der mit seinem freien, voraussetzungslosen, folgerichtigen Denken der Umwelt gegenübertrat, stand nun allen sichtbar auf der einen Hochwarte der Christenheit. Schon aus diesem Grunde mußte trotz aller kirchlichen Gegenwirkungen etwas wenigstens von dem leidenschaftlichen Wissensdrange Friedrichs sich den von der Persönlichkeit dieses Taten- und Willensmenschen hingerissenen erleuchteten Köpfen mitteilen. Im wesentlichen beruhte die von Friedrich bei diesen eingeleitete Läuterung des Naturerkennens zunächst freilich nur darin, daß der Nebelschleier des Zaubers, des Wunders, des Übersinnlichen von der Natur genommen ward. Mit seinem auch erkennenden Sehen stand Friedrich selbst in seiner geistesstolzen „Akademie“ als Einsamer da. Nur seine Söhne Manfred und Enzio, sowie der sizilische Beamte Jordanus Ruffus und der arabische Falkner Moanim konnten diesem Höhenfluge des Genius folgen. Als Entdecker der Natur ist Friedrich ein Wegbereiter der Renaissance. Als solcher erscheint er aber auch in der unter ihm sich auftuenden und dann mit ihm rasch wieder welkenden Blüte der sizilischen Kunst.

Schon in Deutschland wirkte, wie wir sahen, in der Hochzeit des Imperium Romanum unter Barbarossa Romas virtus reinigend, befruchtend, befreiend, befestigend auf die Kunst in Wort und Bild. Zum wirklichen Höhenflug schien der Genius der Antike aber erst wieder mählich die Schwingen zu breiten, als der römische Cäsar Friedrich II. im „Garten des Imperium“ nach seinem Siege bei Cortenuova gemäß der alten Sitte der Quiriten den Triumph feierte. Das war für die dem Jenseitigen noch zugewandte Welt der unerhörte Triumph eines Menschen, der sich überdies noch das cäsaristische Beiwort „göttlich“ zu geben wagte. Erst dieser, dann jener, dann mehrere beugten sich dieser wiedererstandenen Größe des italienischen Menschen und huldigten ihr in der Formensprache der Antike. Wie mit einem Zauberschlage erstand eine vom Kaiser unterstützte profane Kunst. Friedrich erzwang geradezu deren Hinwendung zum antiken Vorbild, indem er in größerer Zahl Bildwerke der klassichen Epoche als Muster sammelte. Ein neuer Geist kam in die Bildhauerschulen, die er, selbst die künstlerisch befähigten Landeskinder aufspürend, einrichtete. Die Größe der Vorbilder weckte in den einfachen apulischen Steinmetzen hier und da schöpferisches Begehren. Bildwerke, die sich der antiken Form und dem antiken Lebensgefühl annäherten, konnten damals entstehen. In Capua erbaute der Kaiser ein stolzes Triumphtor mit Bildhauerarbeiten. Auf diesem sahen wir schon die Figur des Kaisers unter der überlebensgroßen Figur der Fortuna Caesarea als der Weltordnung thronen. Die aus der Regierungszeit Friedrichs stammende Baukunst hat aber kaum stilbildend auf die Folgezeit gewirkt. In den Schlössern, die der Kaiser in der Capitanata errichtete, herrschte die kraftvolle Nüchternheit der normannischen Bauweise vor. Und doch deuten auch hier die Reste der Bauten, von denen namentlich das ziemlich gut erhaltene Castell del Monte unweit von Barletta