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„die Außenwelt in ihrer Wirklichkeit und in ihrer Geschichte in die eigene Seele aufzunehmen“. Damit hatte das Mittelalter, das die Welt mit dem Maßstabe des eigenen Innern gemessen hatte, aufgehört. Die Wiedergeburt der Zeiten kündete sich an.

Abb. 67. Statue vom Capuaner Triumphtor. Vgl. Abb. 1
Aufnahme Moscioni, Rom

Friedrich war wirklich auf geistigem Gebiet ein Allseitiger. Nicht übertrieben ist das Lob, das ihm Michael Scotus spendet: „O glücklicher Kaiser! Wirklich ich glaube, wenn jemals ein Mensch in dieser Welt durch sein Wissen dem Tode entging, dann müßtest Du jener sein …“ Zeitgenossen nannten Friedrich das „Staunen der Welt“. Stets von dem Grundsatze ausgehend: „Gewißheit erhält man nicht durch das Ohr,“ lernte Friedrich wieder sehen, beobachten. Einen großen Tierpark hielt er sich, um Leben und Lebensbedingungen der einzelnen Gattungen durch eigenes Schauen zu ergründen. Erst nachdem er viele Jahre besonders die Vogelwelt gründlich beobachtet hatte, schrieb er sein Buch „Über die Kunst mit Vögeln zu jagen“. Das Große und Neue an diesem Buche erkannte schon der Chronist, wenn er sagte: „Dank seinem ungeheuer durchdringenden Blick, betätigt zumal bei der Naturerkenntnis, verfaßte der Imperator selbst ein Buch über Natur und Pflege der Vögel, in welchem er bewies, wie sehr er der Wahrheitsliebe beflissen war.“ Wie hoch erhebt sich hier plötzlich der freigewordene Geist über des Mittelalters Kenntnis von der Natur, wie sie vor allem in dem „Physiologus“ niedergelegt ist, jener Tierbeschreibung, die etwas von den Tieren, mehr aber von deren moralischer, astraler und kosmischer Bedeutung zu berichten weiß. Mitten hinein in das bizarre, phantastische, von kindlichen Allegorien und mehr als kindlicher Wundersucht erfüllte Zerrbild der Natur schleudert Friedrich den Satz, der es für immer auseinanderriß: „Unsere Arbeit ist, sichtbar zu machen die Dinge, die sind, so wie sie sind!“ Wenige Jahrzehnte, bevor Friedrich diesen Satz niederschrieb, hatte Joachim von Fiore mit seiner Lehre von der Möglichkeit eines irdischen Glücks zwangsläufig hinübergeführt zu der Freude an der Umwelt. Zu dieser Großtat des Abtes gesellte sich jetzt die neue des Kaisers, jene Umwelt zu sehen, so wie sie ist. Mit diesem lapidaren Satze ist Friedrich als Begründer der modernen Naturwissenschaften anzusprechen.

Die Fülle der Beobachtungen, die Friedrich in seinem Buch von der Vogeljagd übersichtlich geordnet und stets vom Allgemeinen zum Besonderen schreitend darbietet, ist erstaunlich. Der Kaiser geht aus von einer Schilderung der Vogelwelt überhaupt. Er teilt diese in Gattungen, deren verschiedene Lebensgewohnheiten er hervorhebt, beschreibt die Arten anatomisch bis ins