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fühlt, will er nicht nur den antiken Staat, sondern auch den antiken Menschen erneuern. Mit der virtus der alten Römer sollen deren Enkel als Beamte des Kaisers im gesamtitalienischen Staat zu Ruhm und Ehren der Stadt den Staatsgeschäften vorsitzen und „in Würden erglänzen“.

Kulturgeschichtlich von größter Bedeutung wurde die Tatsache, daß Friedrich, um das Recht des Imperium zu stützen, in seinem Gesetzbuche von Melfi auch auf die schon erwähnte Adams-Mystik zurückgriff. Nach dem Bilde des Weltkönigtums des Urmenschen, unter dem die goldene Zeit der Freiheit war, solange das Gesetz beobachtet wurde, gestaltete der neue Herrscher über das All sein durch den Sündenfall notwendig gewordenes Regiment, das Friede und Gerechtigkeit der paradiesischen Zeit zurückbringen soll. Die Bezugnahme auf die alte Verklärung des Urvaters, welche zum humanistischen Kultus des primitiven Menschen und des goldenen Zeitalters werden sollte, beweist, daß in Sizilien damit begonnen wurde, die Idee des die ganze Menschheit umfassenden Kaisertums in die ideale Sphäre des Allgemeinmenschlichen und Geistigen zu erheben. Diese Adams-Mystik fand in Friedrichs antikem Empfinden für das „mehr Mensch sein“ einen vortrefflichen Nährboden. Antike Humanität beseelte überhaupt die Kulturpolitik des Staufers.

Friedrich II. hielt unbedingt fest an der Gemeinschaftsidee der Kulturwelt des römischen Erdkreises – im letzten Grunde also an der auf das Allgemeinmenschliche sich gründenden Ökumene der griechischen Weisen –, die sich in der von sittlicher und künstlerischer Größe erfüllten römischen Weltherrschaft für ihn verkörperte. Damit nimmt sein italienisches Cäsarentum einen neuen, einen geistigen Bezug auf die abendländische Welt. Der so häufig kundgetane Wille unseres Staufers, auch das antike italienische Menschentum neu zu schaffen, mußte für seine Zeit noch ein großer Gedanke bleiben. Dieser Wille zur Una Italia, einmal angeregt, blieb aber eine im Verborgenen wachsende Macht bis auf Dante. Unter den Hammerschlägen dieses Gewaltigen fielen die Schlacken des Cäsaristischen von dem nationalen Wiedergeburtsgedanken ab; aber sogleich wieder, wie im alten Rom, wo sich das unbändige römische Kraftgefühl mit dem Humanitätsideale der Stoa vermählte, überzog dieser sich mit der Patina des weltbürgerlichen Bildungsdranges und des römischen Naturtriebes in die Weite. In dieser Tatsache, daß Friedrich die Umwandlung des universalen Herrschaftsgedankens des Mittelalters in einen national-geistigen einleitete, ihm aber sogleich das weltbürgerliche Streben zugesellte, liegt vornehmlich das Renaissancehafte der Persönlichkeit dieses Kaisers.

Dem Kaiser war es nicht vergönnt, das ewig schöne Antlitz der Antike vollends zu entschleiern. Was er, und was seine Umgebung mit ihrer sicherlich warmen Liebe und Bewunderung des klassischen Altertums in dessen Dienste schufen, enthielt gewiß Zukunftswerte; wirkliche Neuschöpfungen der von dem antiken Geiste gelösten Schöpferkraft von wahrhaft klassischem Gepräge gelangen noch nicht. Gewiß hat der humanistische Geist, der Peter von Vinea, den Mund des Kaisers, und mit ihm die seit 1220 hervortretende Schule von Capua erfüllte, große Fernwirkungen in Raum und Zeit ausgeübt. Langobarden waren es zumeist, die dieser Schule angehörten. Indem diese Beziehungen zu der gleichfalls langobardischen Städtekultur des nördlichen Italien anknüpften, halfen sie die national-italienische Kulturbewegung der Renaissance und des Humanismus vorzubereiten. Es läßt sich nicht in Abrede stellen, daß die hier im Süden aufblühende Literatur schon das Streben nach höherer Entfaltung formaler Kunst erkennen läßt. Auf ihrem so dürftigen Boden „erwuchs die giftige Satire, die schmuckreiche, manchmal mythologische Landschaftsschilderung, der groteske Bettelbrief, den die späteren Humanisten so gut verstanden, das derb erotische Idyll“. Auf ihrem Boden erwuchs auch die Neigung, die Person des Kaisers zu antikisieren. Das geschah nicht zuletzt durch die Dichterschule