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Friedrichs gesetzgeberische Tätigkeit umfaßt sein ganzes Leben als Herrscher. Nur große Bruchstücke davon sind auf uns gekommen, die zum überwiegenden Teil sich wiederfinden in der von seiner Zeit und von der Nachwelt angestaunten, später fortgesetzten oder nachgeahmten Kodifikation von Gesetzen in den dem Jahre 1231 angehörenden, aber darnach wiederholt mit Nachträgen versehenen Konstitutionen von Melfi. Bei der Formgebung dieser Gesetze, die oft mit dröhnendem Pathos eines barocken Latein zu uns sprechen, war Peter von Vinea, lange die rechte Hand des Kaisers, hauptsächlich beteiligt. Auch der Erzbischof Jakob von Capua und andere der vorzüglichen Juristen Friedrichs haben daran mitgearbeitet. Das Werk als Ganzes ist Geist vom Geiste des Staufers.

Wir pflegen diese Konstitutionen den Staatsschriften Friedrichs zuzuzählen, wozu wir auch seine Urkunden, Erlasse und namentlich auch seine Briefe an Päpste und Prälaten, Könige und Fürsten, Länder und Städte, sowie an seine Familienmitglieder rechnen. Ein Blick auf diese Staatsschriften tut dar, daß in diesen häufig zwei, sich gegenseitig ausschließende Weltanschauungen – oft scheinbar einträglich nebeneinander – in dem gleichen Schreiben oder Gesetz zu Worte kommen: die christlich-mittelalterliche mit der alten getragenen Würde und in den überkommenen Formen, und die aus arabisch-antiker Geisteswelt stammende modernere, die sich mit einer fast elementaren Wucht in kecken herausfordernden Schlagworten äußert.

Die eigentlichen Autoren dieser Schriftsätze, vor allem der eben genannte Peter von Vinea, waren groß geworden in der alten Weltanschauung mit ihren typischen Gedankenbildern und geschult in dem Kanzleistil der Kurie. Das Typische und Formelhafte der noch souverän herrschenden Weltanschauung konnte auch ein Kraftmensch von dem Ausmaße des letzten Staufers noch nicht aus seiner Kanzlei verdrängen, die, wie alle Kanzleien, besonders stark zum Konservativen hinneigte. Aber durch die Wirkungen, die sein überragender Geist auf seine Umgebung ausübte, war es möglich, daß in die alte Form auch Friedrichs neue Ideen eindrangen. Der Denker Friedrich war ein Schüler und Bewunderer des arabischen Philosophen und Freigeistes Averroës. Als seine geistige Heimat werden wir später des Orients nicht beengte Weite erkennen. Durch arabische Vermittlung versenkte er sich auch in die Welt der heidnischen Antike. Seine Gedanken, abseits des christlichen Denkens geboren, rührten auch fern des kirchlichen Bannkreises die jungen Schwingen. Wenn Friedrich in diesen Schriftsätzen die Ausdrucksformen der alten, von ihm innerlich schon völlig überwundenen Weltanschauung scheinbar billigte, so konnte er als Politiker bei der Vorherrschaft der kirchlichen Idee in der zeitgenössischen abendländischen Welt gar nicht anders. Auch entsprach die Beibehaltung jener alten Wendungen durchaus Friedrichs antiker, man darf sogar sagen heidnisch-antiker Auffassung der christlichen Religion als Staatsreligion. Als Quelle für die geistige Persönlichkeit Friedrichs kommen die Staatsschriften demnach nur insoweit in Betracht, als sie sich in einen Gegensatz zum Kirchentum stellen. Diese grundsätzliche Auffassung jener Quellenstücke erweist eine Prüfung der Herkunft des Inhalts und der in diesem zum Ausdruck kommenden Staats- und Rechtsauffassung als richtig.

Friedrichs Größe offenbart sich in diesen Konstitutionen nicht zuletzt in der Tatsache, daß er ein klares Bewußtsein davon hatte, daß das Recht etwas geschichtlich Gewordenes ist und fortentwickelt, aber nicht völlig neu geschaffen werden kann. Er knüpft an das Werk seiner normannischen Vorfahren an, die ihrerseits wieder das in Sizilien fortlebende römische Recht, sowie die auf der Insel übernommenen byzantinischen und arabischen Rechtssätze für ihre Gesetzgebung verwerteten. Eine große Zahl der Konstitutionen Friedrichs II. – freilich von diesem mehr dem Römisch-Rechtlichen angepaßt – stammt aus der älteren Sammlung Rogers II. Friedrich hat überhaupt das „gemeine Recht“, und das war das römische, ebenso wie andere Rechte der einzelnen Teile seines Völkergemisches