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schleuderten und in gellendem Aufschrei zur Buße mahnten, mochten sie sich Katharer, Amalrikaner, Ortliebiten nennen, schöpften mehr oder minder aus der Gedankenwelt Joachims. Durch die glühenden Bußpredigten dieser Häretiker wird der Gedanke der geistigen Wiedergeburt, der Reformation, der Selbsterhöhung, dem sie leidenschaftlich immer wieder Ausdruck geben, das Schlagwort einer erlösungsbedürftigen Zeit. Die Verweltlichung des kirchlichen Gedankens, der da nicht von dieser Welt sein sollte, drohte dessen Wirkungen zu hemmen, ja, lahmzulegen. Sie bedingte den geistigen Gegenspieler: die Idee der Notwendigkeit einer unbedingten Abkehr vom Weltlichen und völliges Aufgehen in einem mystischen Erleben des Göttlichen, das das Dogma nicht leugnete, aber hinter sich ließ.

Abb. 16. Friedrich II. Chron. reg. Colon.

Schon vor Joachim ging die Mystik eines Bernhard von Clairveaux, der ernstlich niemals daran dachte, den Boden seiner Kirche zu verlassen, in ein visionäres Gottschauen über: „Dich selbst gewissermaßen zu verlieren, als wärest du ein Nichts, dein eigenes Selbst nicht mehr zu fühlen und von dir selbst erlöst und fast vernichtet zu werden, das ist himmlisches Leben, kein menschlicher Zustand!“ In dieser göttlichen Trunkenheit werden die Begriffe zu nebelhaften Schemen. Der Weg von dieser Mystik zur Verneinung des Dogmas war nicht weit.

Ein anderer gottseliger Frommer, Franz von Assisi, will die Welt erobern, ohne ihr zu verfallen. Auch bei ihm bricht die Frömmigkeit aus dem Innersten seines Wesens hervor. Dogma und Buchstaben hält diese in Ehren, aber nennt sie nicht. Theologische Gelehrsamkeit ist dem Apostel der Armut eine Quelle des Hochmuts und ein Hemmschuh einer reinen, gottesfrohen Heiterkeit des Lebens. Die Gedanken Joachims haben ihn berührt. Auch er will, wie