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daß er eine Fahrt zum Heiligen Lande unternahm und auch die Kaiserstadt am Bosporus und die Haarspaltereien der dortigen Theologen kennen lernte. Wir wissen, daß er zu Heinrich VI. in Beziehung stand und auch zu einigen Päpsten.

Das Leben dieses strengen Asketen, der das Mönchtum straffte, der mit Kirche und weltlichen Mächten in einem guten Einvernehmen stand, hat gewiß nichts besonders Anziehendes; aber seine Schriften sollten ihn überleben und berühmt machen. Die in diesen niedergelegten Gedanken, die schon in den Zeiten Friedrichs II. – weniger in ihrem echten Gehalte, mehr in tendenziöser Verzerrung – so unendlich das geistige Leben beeinflussen sollten, offenbaren die überraschende Tatsache, daß jener die heiligen Schriften deutende Grübler die Kräfte des kommenden Jahrhunderts in sich wirksam fühlte, daß er „kein Fanatiker seiner Überzeugung, kein Ketzer im Sinne des Kirchenglaubens, aber ein Unzeitgemäßer“ war, dessen Ideen, wenn sie ausreiften, wenn sie von anderen aufgegriffen und für den Kampf des Tages verarbeitet wurden, der gesamten mittelalterlichen Weltanschauung ungemein gefährlich werden konnten.

Joachims Lehre verdankt ihren wesentlichen Begriff des „Ewigen Evangelium“ „der pneumatischen Lehre des Johanneischen Christus von der inneren Wiedergeburt im heiligen, göttlichen Geist der Wahrheit“. Entsprechend der göttlichen Trinität entwickelt Joachim, die Bücher des Alten und Neuen Testaments typologisch deutend, seine Dreizeitenlehre. Das erste Zeitalter Gott des Vaters ist das Zeitalter des Alten Testaments, des Gesetzes, des Wissens, des knechtischen Sinns, der Furcht; das zweite Zeitalter Gott des Sohnes ist das Zeitalter des Neuen Testaments, der Gnade, der Weisheit, des kirchlichen Dienstes, des Glaubens; das dritte Zeitalter Gott des Heiligen Geistes ist das Zeitalter des Ewigen Evangelium, der reicheren Gnade, der Vollkommenheit des Intellektes, der Freiheit, der Caritas. Das Buchstabenevangelium ist zeitlich; das ewige ist im Geiste und deshalb unvergänglich. Das sind die wesentlichsten Teile der Lehre dieses Kalabreser Denkers. Weltgeschichtlich an dieser Lehre war, daß Joachim „im Evangelium Christi nicht den letzten Grad aller irdisch möglichen Wahrheit erblickte, daß er den augustinischen Katholizismus zur Vorstufe eines irdischen Vollkommenheitszustandes herabdrückte. Das bedeutete die Loslösung von einer Jahrhunderte alten Tradition, einer Tradition, die nicht nur das gelehrte Wissen, sondern auch die religiös-philosophische Lebenshaltung einer ganzen Kultur leitete.“ Joachim vertröstete nicht auf ein zeit- und raumtranszendentes Jenseits; er glaubte an ein diesseitiges Zukunftsideal; er überträgt den Gedanken der Vervollkommnung aus der himmlischen Transzendenz in die Zukunft der Menschheit. Das Zeitalter des Neuwerdens des leiblichen Menschen sieht er hier auf Erden. Lauter denn irgend ein anderer zuvor rief er das zündende, folgenschwere Wort: „Reformation“ in die Welt. Seine Lehre von der wiedergeborenen, auf sich selbst gestellten Menschheit eines dritten Reiches des Geistes, nicht im Übersinnlichen, sondern in der Wirklichkeit dieser Erde, sollte eine zunächst verborgen und geheimnisvoll wirkende Triebkraft werden und sich schließlich im vergeistigten apollinischen Imperium der Renaissancekultur, das dem weltlichen und geistlichen folgen sollte, vollenden. Für die religiöse Bewegung der Folgezeit bedeutsam war auch Joachims Lehre, daß die Quelle der aus dem Herzen aufsteigenden Frömmigkeit nicht im engen Umkreis des kalten, unwandelbaren Dogmas, sondern in dem von der lebendigen Sonne bestrahlten grenzenlosen Lande der menschlichen Phantasie zu suchen sei: „Der wahre Mönch“, so sagt er, „soll nichts sein Eigen nennen als seine Harfe!“ Die abgeklärte Heiterkeit des gottbegeisterten Sängers spricht aus diesem einen Worte.

Solche Gedanken des Fioreser Abtes konnten mit nicht allzuschwerer Umbiegung kirchlich-revolutionäre Färbung annehmen. Sie kamen dem von der verweltlichten Kirche sich abkehrenden Sehnen der sektirerischen Bewegung nach Vergeistigung ja weit entgegen. Alle, die da Zornesworte gegen die Kurie