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Augen zu verlieren. Tatsächlich waren es ja auch nur im wesentlichen die weit ausgreifenden Pläne seiner normannischen Vorgänger, die er dabei wieder aufnahm, Pläne, die wirtschafts- und handelspolitisch einem Beherrscher dieser Insel nahegelegt wurden, die aber vom nordischen Standpunkt aus gesehen als Weltmachtspolitik großen Stiles erschienen und für diesen sizilischen König als Kaiser es auch waren. Deutsche Heerführer und deutsche Dienstmannen verwalteten zwar das ihm zugefallene Erbe. Aber diese Weltpolitik gefährdete doch den deutschen Charakter dieser Herrschaft. Wenn Heinrich VI. eifrig bestrebt war, das römisch-deutsche Reich ebenso zu einem Erbreich zu machen, wie es das sizilische Königreich war, so wären mit der Durchführung dieses Planes Deutschland, Italien und Sizilien ein Erbbesitz des staufischen Hauses geworden, so wäre damit die Gefahr einer völligen Verwelschung des Kaisergedankens gegeben gewesen. Denn ein Herrscher über diese Gebiete mußte als Staatsmann unbedingt von dem festgeschlossensten Machtgebiet innerhalb des Gesamtreiches – und das war Sizilien – ausgehen und von dort aus fortschreitend dessen in seiner Person gipfelnde Organisation über die anderen Teile des Reiches ausdehnen. Das bedeutete die dauernde Verlegung des Schwerpunktes des Reiches in den italienischen Süden, die Verwelschung des Kaisergedankens. Immerhin! Dieses sizilische Königreich schien unerschöpflich zu sein an finanziellen Mitteln. Hier blühte eine aus antiken, byzantinischen, arabischen und normannischen Elementen sich zusammensetzende Mischkultur; hier waren jene wirtschaftlichen Kräfte, deren ein deutscher Kaiser bedurfte, um Italien zu unterwerfen, um das Erbrecht des sizilischen Königs auch für das ganze Reich durchzusetzen, um damit das Wahlrecht und die Sondergewalt der deutschen Fürsten auszuschalten, um die Kaiseridee dauernd aus der päpstlichen Umklammerung zu lösen, um den Vorrang vor den Fürsten des Abendlandes zu verwirklichen, um von der sizilischen Schwelle der Weltherrschaft aus die Länder des Mittelmeers unter die Hoheit des Weltkaisers zu zwingen. Das ist die zu schwindelnder Höhe sich erhebende staufische Reichsidee in ihrer kühnsten Ausprägung in den Tagen Heinrichs VI.! –

In Deutschland verfolgte Walter von der Vogelweide in atemloser Spannung dieses gigantische Ringen Heinrichs um die Macht in der Welt. Dieser Herrscher erschien ihm als idealer Kaiser, dem deutsche Reichspolitik Weltpolitik war. In dieser Auffassung war er eins mit den Reichsministerialen, die durchaus imperialistisch gesinnt waren. Auch diese betrachteten die Weltherrschaft geradezu als den nationalen Beruf der Deutschen. Als dann der Kaiser seiner Hoffnungen plötzlich dahingegangen war, da schildert Walter das Chaos, das über das kurz zuvor so machtgebietende Reich hereinbrach. Damals raunte man sich in Deutschland zu: Dietrich von Bern sei auf schwarzem Rosse erschienen und habe dem Römischen Reiche Unheil verkündet. Was Heinrich VI. in wenigen Jahren – wie fiebernd in der Ahnung des frühen Todes – geschaffen hatte, war so ausschließlich das Werk seines Geistes und seiner Kraft, entbehrte so vielfach des Zusammenhanges mit den Mächten des geschichtlichen Beharrens, daß es mit seinem Hinscheiden sofort zusammenbrechen mußte. Streng genommen wurde mit ihm das römisch-deutsche Kaisertum in seiner mittelalterlichen Gestalt zu Grabe getragen. Bürgerkriege brachen in Deutschland aus, wo der Bruder des verblichenen Herrschers, Philipp, mit dem Welfen Otto IV. um die Königskrone kämpfte, bis er dem Mordstahl des Wittelsbachers erlag. Während der Gegner dieses Staufers dann in Deutschland allgemeiner anerkannt wurde, war der kleine Sohn Heinrichs VI., Friedrich II., der König Siziliens, in Deutschland ein Vergessener. Niemand schien hier zu ahnen, daß im fernen meerumspülten Märchenlande ein taten- und geistesgewaltiger Titane aufwuchs, „ein Verwandler der Welt“.