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Das Mittelalter hatte stets eine hohe Achtung vor ererbten Rechten. Nun bot zwar das römische Recht den Machtäußerungen des Kaisers eine Grundlage, nicht aber stützte es dessen Legitimität. Daß die Frage der Rechtmäßigkeit des deutschen Kaisertums die Gemüter damals beschäftigte, geht schon aus der Tatsache hervor, daß die alte Sage von der Abstammung der Deutschen von den Trojanern, in denen ja auch die Römer ihre Vorfahren erkannten, wieder Verbreitung finden konnte. Diese erdichtete Blutgemeinschaft mit den Lateinern sollte die Legitimität begründen. Doch gegen die Behauptung der göttlichen Legitimierung durch die Vermittlung des Papstes und gegen die vorausgesetzte Wahl und Anerkennung durch das souveräne römische Volk bedurfte es eines besseren Rechtstitels, der besonders auch den germanischen Gemütern faßbar war. Und das war das Recht der Eroberung.

Ein Wort des Hieronymus: „Den Kaiser macht das Heer!“ hat dadurch, daß es zufällig in das Dekret Gratians Aufnahme fand, kanonische Geltung erlangt. Dieses Wort spielte wohl auf tatsächliche Verhältnisse in der Geschichte des Kaisertums an, hatte aber niemals wirkliche Rechtskraft. Das hinderte nicht, daß es im Mittelalter bis auf den Sachsenspiegel, wo es als Rechtssatz wiederholt wird, wirklich als römischer Rechtssatz angesehen wurde. Karl der Große – sich wohl unbewußt auf dieses Wort des Hieronymus stützend – hat keinen Zweifel daran gelassen, daß er sich das Reich mit seinem guten Schwerte erstritten habe. Die ihm Nahestehenden im Frankenreiche dachten so wie er. Sie feierten seine Herrschaft schon vor der Kaiserkrönung als eine kaiserliche. Später berichtet Widukind von Korvey, daß das Heer seinen glorreichen Führer, den Sachsen Otto, vor der Kaiserkrönung auf dem Lechfelde als Vater des Vaterlandes und als Kaiser ausgerufen habe. Auf dieses Recht der Macht, das zwar seinerseits wieder ohne juristische Begründung blieb, was aber diese Zeit übersah – war doch im Mittelalter auch die Souveränität des römischen Volkes eine lächerliche Fiktion –, griff nun auch Barbarossa zurück. Auf keine andere Weise konnte er seine Autonomie Kanonisten und Legisten gegenüber verteidigen. Weitere deutsche Volkskreise werden diese Berufung auf das Recht des guten Schwertes verstanden haben; jedenfalls jubelten diese dem allwaltenden Kaiser, der da in Wahrheit ein römischer Kaiser sein wollte, begeistert zu. Hell klingt dieser Jubel aus dem Schrifttum dieser Zeit.

Der Archipoeta feiert Friedrich als Cäsar der Welt, der zum König über die anderen Könige gesetzt sei, der, wie dereinst Augustus, den Erdkreis geteilt und das Reich seinem alten Zustand zurückgegeben habe. Und erst die hingerissene nähere Umgebung des Rotbart! Das freilich auf Heinrich VI. bezogene Lob der staufischen Politik in dem Briefe Konrads von Querfurt, des Erziehers dieses Kaisers, der zuvor Kaplan und Kanzler Barbarossas war, gibt die Stimmung wieder, welche in den Tagen Friedrichs I. den Hof und die Reichsministerialität erfüllte. Dieser Kleriker „von klassischer Bildung, ein Mann des Schwertes und der Wissenschaft, ein Freund der Schönheit und des Schmuckes, ein heller, freudiger Weltgenießer“, beschreibt die Schönheiten Italiens, die er freilich durch die mythologische Brille sieht, und ruft aus: „man brauche die Grenzen der deutschen Herrschaft nicht mehr zu verlassen, um das von Angesicht zu Angesicht zu sehen, was man sonst nur in der Schule in den Werken der alten Dichter gelesen habe: das Imperium über den Erdkreis, das alte Imperium Romanum.“ Er glaubt also an dessen glorreiches Wiedererstehen, setzt dieses aber schon in eine merkwürdige Beziehung zu dessen antiker Größe und zu Italien.

Das gesteigerte Machtstreben der Staufer äußert sich – abgesehen von der strafferen Zusammenfassung der innerdeutschen Kräfte – vornehmlich in der Betonung ihres europäischen Führerberufes, in dem Versuch, ihre Machtstellung im Konzerte der abendländischen Völker auch offenbar zu machen, sowie endlich in dem Drang nach Ausweitung der Grenzen des römisch-deutschen Imperium