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Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit

Mittlerweile aber ruhte die Leiche Baron Wolfs, von einem vorspringenden abgebrochenen Ast gehalten, zwei Fuß unter dem Wasser in seinem strömenden Grabe.

Die eine aber, die den Leuten hätte sagen können, was mit Baron Wolf geschehen war, die eine schwieg, und der andere, der die schmachvolle Tat vollbracht hatte, der schwatzte laut und zudringlich und pries sich vor den Leuten glücklich, daß er schon ein paar Tage früher den Dienst des Barons verlassen habe und somit alle Verantwortung von sich abschütteln könne. Er war ja auch an dem Abend bei dem Zehsewirt gewesen, die Zehsewirtstochter konnte das bezeugen.

Geradezu der Verzweiflung nahe war der Pastor. In seiner Gemeinde, in seiner von ihm gehüteten Herde konnte eine ruchlose Mörderhand sich an dem Leben des jungen Majoratsherrn vergreifen, an dem jungen Leben seines Taufkindes und Konfirmanden, seines Schülers, den er wie einen Sohn liebte und den er bald zu trauen gehofft hatte. Wie schlecht mußte er da seine Herde gehütet haben! Nein, er war nicht mehr wert, das geistliche Amt zu verwalten, und in tiefer Zerknirschung reichte er beim kurländischen Konsistorium seine Bitte um Entlassung ein. Dazu kam aber noch ein anderes, Persönliches: Er selbst war die schuldlose Veranlassung der Mordtat gewesen. Er hatte den jungen Baron gebeten, die am Fluß gelegenen Pastoratsfelder zu besichtigen und zu entscheiden, ob ein Stück Weideland zum Kornbau umgeackert werden solle oder nicht. Er hatte Baron

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Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit. S. Schottländers Schlesische Verlagsanstalt, Berlin 1910, Seite 270. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:FrancesKuelpeRoteTage.pdf/266&oldid=- (Version vom 1.8.2018)