Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit | |
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„Nu, nu,“ beschwichtigte Mutter Greetsche erschreckt, „ich sag’ ja nur so. Was ist denn nur dabei? So sei doch nicht gleich so auseinander, Mädchen!“
Damit stellte sie die Suppe auf den Tisch, legte ein Laib Schwarzbrot daneben und drei Holzlöffel. „Nu kommt der Vater.“
Gebückt und grau schlich die krumme Gestalt Jahn Semmits an den kleinen Fenstern der Hütte vorüber.
Stöhnend trat er ein und hing die Mütze an den Nagel. Er setzte sich an den Tisch, faltete die Hände und flüsterte ein Gebet. Stumm und schweigsam wurde die Mahlzeit eingenommen. –
Am Nachmittag des nächsten Tages trug Darthe ein Bündel auf den Zehsehof. Sie hatte einen Kleidrock an die Zehsewirtstochter abzuliefern.
Es war ein kalter, windiger Herbsttag. Graue fliegende Wolken eilten einander überhastend in Schichten über den trüben Himmel. Klagend rauschte der müde Birkenwald an der Landstraße. Die verwitternden Stoppeln der Felder standen graugelb und starr in die Höhe. Welke Blätter jagten vom Winde getragen über sie hin und verfingen sich in den Stoppeln. Die Wagenspuren der Landstraße standen noch voll Wasser.
Darthe schlug einen Feldweg ein. Vor ihr lag mit der Rückseite das Gehöft des reichen Zehsebauern. Sie ging um das Gesinde herum und trat in das Gehöft. Viehstall, Wagenscheune, Kornspeicher und Kleete rahmten den viereckigen Hof ein.
Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit. S. Schottländers Schlesische Verlagsanstalt, Berlin 1910, Seite 264. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:FrancesKuelpeRoteTage.pdf/260&oldid=- (Version vom 1.8.2018)