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Hermann Wimmer (Red.): Der Nürnberger Trichter

Nr. 3. Beiblatt zu den Fränkischen Blättern. 1848.


Adresse mehrerer Bartkünstler.

Verehrtester Herr Redaktör!

Ihr wißt, welch eine schreckliche Revolution seit einigen Monaten in den Gesichtern eingetreten ist, eine Revolution, die immer im Wachsthum begriffen ist, und die, wenn ihr nicht Einhalt gethan wird, nothwendig zum Untergang alles anständigen menschlichen Antlitzes führen wird.

Sonst herrschte doch eine gewisse liebliche Glätte um Mund und Kinn, die nicht nur auf die Gemüther derer, die sie sahen, sondern auch auf die Rasirten selbst eine friedliche und beruhigende Wirkung übte, und die wir, als der Menschheit wahre Wohlthäter, so eifrig zu erhalten bemüht waren. Aber jetzt? Jetzt läßt man das Unkraut von Bart so ganz ohne Maß und Ordnung wachsen, daß einem Freunde der Ruhe und Ordnung ganz bange dabei werden muß. Ja, diese Bärte, diese grausig wilden Bärte allein sind Schuld an allem Eifer und aller Hitze der Parteien; denn mit so einem Barte fährt Einem auch gleich der Zorn und das Martialische in den Leib. Du lieber Gott, man erkennt kaum seine besten Freunde und die friedlichsten Männer mehr, man glaubt nichts als Löwen, Tiger und Hyänen vor sich zu sehen. Da sieht man lange, kurze, dicke, dünne, struppige und nicht-struppige, gedrehte und nichtgedrehte, schwarze, blonde, graue, weiße, schwarzweiß-melirte, schwarzblau-melirte, ja man kann sagen schwarzrothgolden-melirte Bärte, – kurz eine wahre Musterkarte von Bärten, die sich selbst die kühnste Bartkünstlerphantasie im höchsten dichterischen Schwunge nicht einzubilden vermocht hätte. Wenn das so fortgeht, so werden wir demnächst sogar die Kindlein mit Schnauzbärtchen oder Henriquatrechen auf die Welt kommen sehen! Bedenket, deutsche Männer, Ihr wollt keine Philister mehr sein; aber was hilft dies, wenn Ihr die Zöpfe, die Ihr sonst hinten hattet, nun vorn unter der Nase tragt? Und fühlt Ihr denn nicht, wie einer rechtschaffnen Bartscheererseele bei dem Anblick dieses Unfugs zu Muthe werden muß? – Wahrhaftig, das Rasirmesser rostet ganz und verliert seine weltgeschichtliche Bedeutung. Auch unsre Börsen verlieren ihre Bedeutung, und es ist Gefahr vorhanden, daß unsre würdige Zunft (in welche ohnedies schon so Viele hineingepfuscht haben, indem sie es gewagt haben, Hand an sich selbst zu legen) zum Nachtheile aller Ruhe und Ordnung von der Welt gänzlich verschwinden werde.

Verehrter Herr Redaktör! Ermuthigt durch Eure uns wohlbekannte Menschenfreundlichkeit, bitten wir Euch inständig: stellt doch der Welt einmal vor, welchen Unfug sie treibt und wie sie sich durch ihre Bärte in Unglück und Anarchie stürzt. Sagt den Leuten, sie sollen sich schleunigst

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Hermann Wimmer (Red.): Der Nürnberger Trichter. Friedrich Campe, Nürnberg 1848, Seite 9. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Fr%C3%A4nkische_Bl%C3%A4tter_nebst_dem_Beiblatt_Der_N%C3%BCrnberger_Trichter.djvu/109&oldid=- (Version vom 31.7.2018)