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Arbeit getriebener Metallscheiben erkannt, die häufig in ihrem Mittelpunkt einen Halbedelstein zeigen; es sind Zierplatten, welche Männer und Weiber auf den Schultern, auf der Brust und auf dem Gürtel trugen. Solche Scheiben von großem Durchmesser dienten auch als Schmuck der Rosse auf Stirn oder Brust, sowie der Vorderseite der Wagen. Fügen wir noch hinzu, daß auch Stirnbänder, ähnlich gefertigt, wie die Halsketten, getragen wurden, so ergibt sich eine nicht geringe Mannigfaltigkeit weiblichen Schmuckes.

 Um aber von der Gewandung ein anschaulicheres Bild zu zeichnen, müssen wir die nordischen Quellen heranziehen.

 Die Hauptbestandtheile der Frauentracht sind das ärmellose, zunächst dem Leibe getragene Hemd, das auch im Schlafe nicht abgelegt wurde; die skyrta (daraus mit abweichender Bedeutung „Schurz“, „Schürze“) und der darüber geworfene Mantel, Kyrtja, unser „Kittel“; dazu treten dann die Kopfbedeckung, ferner der Schleier, ein oder zwei Gürtel, manchmal Hosen, Strümpfe, Schuhe, Handschuhe, Tasche. Alle diese Stücke haben wir nun einzeln zu betrachten.

 Was die Stoffe betrifft, so ward das grobe, dichte Wolltuch, aus welchem der Mantel (sagum) gefertigt wurde, von den Frauen in jedem Gehöft bereitet, entsprechend der einfachen Natural-Wirthschaft, die sich auf Handel nicht verlassen konnte, vielmehr die unentbehrlichsten Güter selbst erzeugen mußte. Im Norden hieß dieses Wolltuch ‚Wad-mal‘; es diente vor Einführung der Metallmünzen, ähnlich den Armringen, als Tauschmittel und Werthmesser und erhielt sich in dieser Bedeutung auf Island bis in unser Jahrhundert, wenigstens als Rechnungswährung. ‚Wad‘, deutsch nur als „Watte“ erhalten, bedeutet Gewand; daher z. B. Heergewäte (nicht: Heergeräthe), die Schutz- und Trutzwaffen des Mannes.

 Eine Art „Lod“, ganz unser „Loden“, war besonders dicht und stark, so daß eine Mütze daraus wohl eine Sturmhaube ersetzen mochte. Dreimal höher als Wad war, auf Island wenigstens, Linnen gewerthet, da ja Flachs größtentheils im Nordland eingeführt werden mußte. Die Germanen kennen Flachsbau und Linnenbereitung seit unvordenklicher Zeit. Frauen webten das Linnen, wie sie es als Trachtstoff bevorzugten: so heilig und ehrwürdig und so echteste Hausfrauenarbeit, ist dieses Werk, daß aller Hausfrauen Vorbild, die Hausfrau Odhin’s selbst, Frigga, die Lehrerin und Schützerin des Spinnens und Webens ist.

 Sie führt die Spindel, wie ihr Gemahl den Speer, und wie der Speer den Mann, so bedeutet die Spindel – sogar in der Rechtssprache – das Weib (Speerseite, Spindelseite, Schwertmagen, Spindelmagen: „la couronne de France ne tome en quenouille“). Daher ist heute noch die Hollefrau, die Frau Holle in Thüringen, die Berchtfrau, die Frau Berahta, d. h. die Glänzende, im Volksglauben die Schirmerin der Spinnarbeit, die Lohnerin der fleißigen, die Straferin der faulen Spinnerin; denn Frau Holle, Frau Berahta, ist keine Geringere, als Frigga selbst.

 Aus weißem Linnen bestand auch der Brautschleier. Ergetzlich ist zu lesen, wie die Göttinen das Haupt des ungefügen Donnergottes Thor in

Empfohlene Zitierweise:
Felix Dahn: Das Weib im altgermanischen Recht und Leben. Verlag des Deutschen Vereines zur Verbreitung gemeinnütziger Kentnisse in Prag, Prag 1881, Seite 9. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Felix_Dahn_-_Das_Weib_im_altgermanischen_Recht_und_Leben_-_09.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)