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derselbe ist wie im römischen Recht und im Recht aller Völker vor der christlichen Anschauung: erst diese hat dem Weibe das Recht auf eheliche Treue des Mannes gegeben; vorher wird die Ehe nur gebrochen durch Untreue des Eheweibes oder, von Seite eines Mannes, nur durch Bruch fremder Ehe. Obwohl nun regelmäßig die germanische Ehe monogamisch war und die Untreue der Frau fast gar nie vorkam (wenn sie aber vorkam, war sie mit den alleräußersten Strafen bedroht), durften doch Könige und Edle mehrere Frauen gleichzeitig haben, so z. B. Ariovist, was wegen der Wichtigkeit mächtiger Verschwägerungen nicht selten vorkam. Auch dulden wenigstens die nordischen Rechte Konkubinen nicht nur an Statt der Ehefrau, sondern auch neben der Frau.

 Der Eheschließung ging vorher ein Verlöbniß, das öffentlich, vor geladenen Zeugen, auch wohl in der Volksversammlung geschah und dem Bräutigam das Recht gab, von dem Muntwalt die Ueberführung der Braut (mit oder ohne Muntschaft) in sein Haus zum Zweck der Eheschließung zu verlangen in vertragsmäßiger, eventuell gesetzmäßiger Frist. Das Verlöbniß begründete ein voll gefestigt Recht des Bräutigams auch auf die Treue der Braut; dagegen war das Verlöbniß nicht an sich schon, wie man geistvoll, doch unrichtig ausgeführt hat, Eheschließung: diese geschah allerdings ohne weiteren Rechtsakt durch den Vollzug, aber nach der das Leben beherrschenden Sitte begleiteten sacrale (heilige) Formen und weltliche Gebräuche die Ueberführung der Braut in das Haus des Gatten, für Oeffentlichkeit der Verwandlung des Verlöbnisses in Ehe hinlänglich Sorge tragend: jene Hochzeitsgebräuche sind zum Theil gemein-arisch (indo-europäisch). (Der Brautlauf, das Brautstehlen, d. h. ursprünglich ein Scheinkampf um die Braut, der Brautschleier, das Treten in den Schuh des Mannes.) Im ehelichen Güterrecht ist das ursprünglich häufigere System das der Güterverbindung, wonach das Eigentum der beiden Gatten durch die Eheschließung unberührt bleibt, nur die Verwaltung und der Fruchtmitgenuß des fraulichen Vermögens auf den Mann übergeht: später kam, zumal in den Städten im Stande der Kaufleute und Handwerker „von der offenen Tasche“, das System der Gütergemeinschaft oder Gütereinheit häufig vor, wonach das Vermögen beider Gatten, ursprünglich nur die Errungenschaft in der Ehe, später auch das Eingebrachte, früher nur die Fahrhabe, später auch die Liegenschaften, also zuletzt manchmal alles Vermögen in Miteigenthum der beiden Gatten je zur Hälfte trat, auch hier unter Verwaltungsrecht mit Fruchtmitgenuß des Mannes an der Quote (dem Antheil) der Frau. Der Hauptgrund war gewesen, einerseits den Kredit des Geschäftsmannes um den Betrag des Frauenguts zu erhöhen, andererseits dieses den Gläubigern unentziehbar haftbar zu machen. Doch begegnet im westgothischen, nordischen und fränkisch-rheinischen Recht schon früh wenigstens die Errungenschafts- und Fahrniß-Gemeinschaft. Schließlich mag noch erwähnt werden, daß das deutsche Recht, da die Frauen im Erbgang in Liegenschaften, jahrhundertelang der größte Theil des Vermögens, zurückgesetzt und letztwillige Verfügungen, durch welche der reiche Mann für die dürftige Frau nach seinem Tode hätte sorgen können, unbekannt

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Felix Dahn: Das Weib im altgermanischen Recht und Leben. Verlag des Deutschen Vereines zur Verbreitung gemeinnütziger Kentnisse in Prag, Prag 1881, Seite 5. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Felix_Dahn_-_Das_Weib_im_altgermanischen_Recht_und_Leben_-_05.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)