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Walther Kabel: Fürsten als Ehestifter. In: Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Jahrgang 1912, Bd. 11, S. 203–206

der Korse noch als Unterleutnant im Regiment Lafère in Auxonne in Garnison stand, vermittelte er die Ehe zwischen der Tochter des Portiers seines Hauses und einem jungen Manne, den er im Kaffeehause zufällig kennen gelernt hatte. Später als Kaiser verheiratete er seine Brüder, Schwestern und Neffen ebenso wie seine Generale, ohne daß jemand ihm zu widersprechen wagte. Glaubte er für eine Person aus seiner Umgebung eine passende Partie gefunden zu haben, so wandte er sich stets mit der nämlichen Redensart zuerst an den männlichen Teil: „Mein lieber X., Sie könnten eigentlich die Y. heiraten. Was sagen Sie zu diesem Vorschlag?“ Natürlich zeigte sich jeder pflichtschuldigst über die durch den mächtigen Herrscher für ihn getroffene Wahl hocherfreut. Dann suchte Napoleon sofort die betreffende Dame auf. „General X. schickt mich zu Ihnen und läßt Sie durch mich um Ihre Hand bitten.“ Und da diese Hand nie verweigert wurde, folgte die Veröffentlichung der Verlobung zumeist noch in derselben Stunde.

Wie groß Napoleons Leidenschaft für die Rolle des Ehestifters war, geht auch aus folgender Geschichte hervor. Ein Soldat war wegen Gehorsamsverweigerung zum Tode verurteilt worden. Durch Vermittlung eines ihm wohlgesinnten Offiziers reichte er an den Kaiser noch kurz vor der bereits anberaumten Hinrichtung ein Gnadengesuch ein, in dem er bat, man möchte die Exekution noch auf einige Tage hinausschieben, bis er sich seine Braut aus seinem Heimatdorfe hätte kommen lassen, mit der er noch die Ehe schließen wolle, um ihr seine kleine Erbschaft zukommen zu lassen. Napoleon schrieb an den Rand des Gesuches: „Pierre Angout ist begnadigt, geht aber für ein Jahr in die Strafkompanie nach Dieppe mit seiner Frau.“

Das „mit“ war doppelt unterstrichen.

W. K.
Empfohlene Zitierweise:
Walther Kabel: Fürsten als Ehestifter. In: Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Jahrgang 1912, Bd. 11, S. 203–206. Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, Berlin, Leipzig 1912, Seite 206. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:F%C3%BCrsten_als_Ehestifter.pdf/5&oldid=- (Version vom 1.8.2018)