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IX. Erik II., Kanut, Frotho VI. 429


bösen Anfang ein schönes Ende ablöst, als ein Leben, dessen anerkennenswerter Beginn in Sünde und Schande ausläuft. Infolge der heilsamen Ermahnungen des Ansgarius[1] bekehrte sich Erik von dem Irrtume seines Frevelsinnes, er sühnte alles, was er früher in seinem verkehrten Eifer gefehlt hatte; ebenso eifrig förderte er jetzt den Glauben, wie er ihn früher eifrig verfolgt hatte. So nahm er nicht nur die Heilslehre mit gelehrigem Sinne in sich auf, sondern er tilgte auch den Makel seiner Jugend durch die Unsträflichkeit seiner späteren Zeit. Als er starb, hinterliess er einen ihn überlebenden Sohn Kanutus von der Tochter des Guthorm, einer Enkelin des Harald.

Während der Dauer der Minderjährigkeit des Kanut sollte ein Vormund des Reiches und der Waise bestellt werden. Da aber die meisten die Verwaltung dieses Amtes als eine undankbare und heikle Sache ansahen, so beschloss man einen Mann durchs Los zu wählen. Denn die Weisesten in Dänemark wollten in dieser äusserst wichtigen Frage nicht mit einer Wahl nach ihrem Ermessen vorgehen, legten dem fremden Glücke einen höheren Einfluss bei, als ihrem eigenen Urteile und überwiesen den Ausfall lieber dem Zufalle, als einer festen Erwägung. So kam es, dass ein gewisser Ennignup, übrigens ein unbescholtener und tüchtiger Mann, das lastenreiche Amt auf seine Schultern nehmen musste, und indem er in das ihm durchs Los bestimmte Amt eintrat, nicht nur besonderer Vormund des jungen Königs, sondern Verwalter des ganzen Reichs war; daher weisen ihm einige minder kundige Geschichtsquellen seinen Platz mitten in der Regentenreihe an. Als nun Kanut im Verlaufe der Jahre aus einem Kinde ein Mann geworden war, da that er zwar die von sich, die ihm die Wohlthat der Erziehung erwiesen hatten, wurde aber aus einem beinahe aufgegebenen Jünglinge ein Mann von unerhoffter Tüchtigkeit; nur um eines willen ist er zu beklagen, dass er nämlich ohne den Schmuck der christlichen Religion vom Leben zum Tode ging.


  1. Diese Begebenheit, die freilich wesentlich anders verläuft, wie Saxo sie schildert, fällt in die Jahre 854 und 855.
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Saxo Grammaticus: Erläuterungen zu den ersten neun Büchern der Dänischen Geschichte des Saxo Grammaticus. Leipzig: Verlag von Wilhelm Engelmann, 1901, Seite 429. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Erl%C3%A4uterungen_zu_den_ersten_neun_B%C3%BCchern_der_D%C3%A4nischen_Geschichte_des_Saxo_Grammaticus_439.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)