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IX. Siward Ring. 405


bietet, muss er auch in sofortigem Abfalle im Stiche gelassen werden. Es wird geratener sein, dem Zorne des Feindes durch scheinbare Willfährigkeit vorzubeugen, als durch abschlägliche Antwort ihn zu einem schärferen Verfahren gegen uns zu reizen. Denn wenn wir das Verlangen des Stärkeren zurückweisen, so wüten wir absichtlich gegen unser eigenes Fleisch. Oft giebt Verbergen der wahren Neigung der Täuschung ungeahnte Kraft. Mit List muss man den Fuchs fangen“.

Sein heilsamer Rat beendete das Schwanken und verschaffte dem Feinde eine, freilich nur schädliche, Verstärkung. Die Versammlung bewunderte die Beredsamkeit und die Klugheit des jungen Prinzen und stimmte freudig dem vortrefflichen Vorschlage zu, den man nach seinen Jahren gar nicht hätte von ihm erwarten sollen. Auch brauchte man sich nicht zu schämen, wo die Greise keinen Rat wussten, den Mahnungen eines Knaben zu folgen; denn wenn diese auch von einem Unerwachsenen herkamen, so waren sie doch voll von gewichtiger, unsträflicher Belehrung. Den Ratgeber aber wollten sie der drohenden Gefahr nicht preisgeben, sondern schafften ihn zur Erziehung nach Norwegen. Kurz darauf stiessen Ring und [301] 301Siward in einer blutigen Schlacht aufeinander: Ring fiel, aber auch Siward wurde zum Tode getroffen und starb nach wenigen Tagen an seiner Wunde.

Ihm folgte Regner im Königtume. Zu dieser Zeit erschlug Frö, der König von Schweden, den König von Norwegen Siwardus und schickte die Frauen der Hofleute des Siward ins Hurenhaus und gab sie der öffentlichen Unzucht preis. Auf die Nachricht davon eilte Regner nach Norwegen, um seinen Grossvater zu rächen. Als er ankam, strömten viele Frauen, die teils jüngst entehrende Behandlung hatten erdulden müssen, teils in nächster Zeit für ihre Keuschheit fürchteten, in männlicher Kleidung eifrig in sein Lager zusammen; lieber wollten sie den Tod, als die Schande. Unbedenklich nahm er, der ein Rächer der den Frauen angethanen Schmach sein wollte, gegen den Vater der Schande die Hilfe derer an, deren schimpfliche Behandlung zu rächen er gekommen war. Unter diesen war auch die Lathgertha, eine kriegserfahrene Frau, die mit männlichem

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Saxo Grammaticus: Erläuterungen zu den ersten neun Büchern der Dänischen Geschichte des Saxo Grammaticus. Leipzig: Verlag von Wilhelm Engelmann, 1901, Seite 405. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Erl%C3%A4uterungen_zu_den_ersten_neun_B%C3%BCchern_der_D%C3%A4nischen_Geschichte_des_Saxo_Grammaticus_415.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)