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306 Siebentes Buch.


der Glieder. Als der Seekampf begann, da sprang Alf auf das Schiff der Alwild, schlug alle nieder, die ihm in den Weg traten und drang bis zum Hinterdeck vor. Als der Alwild der Helm abgeschlagen wurde und der Genosse des Alf, Borcarus, das glatte Kinn sah, da rief er, hier seien Küsse, nicht Waffen am Platze: [230] 230man müsse die harten Geschosse aus der Hand legen und den Feind mit sanfteren Diensten angehen. Da war Alf hoch erfreut, dass ihm hier die, nach der er über Land und Meer unter so vielen Fahrnissen mit unermüdlicher Anstrengung gesucht hatte, wider Erwarten geschenkt wurde; er erfasste sie leidenschaftlich und zwang sie, ihre männliche Kleidung wieder mit Weibertracht zu vertauschen; mit ihr zeugte er später eine Tochter Gurith. Auch Borcar heiratete eine Gefährtin der Alwild, Gro mit Namen, und erhielt von ihr einen Sohn Haraldus, dem die Folgezeit den Beinamen Hyldetan gegeben hat[1].

Damit man sich nicht wundere, zu hören, dass das weibliche Geschlecht sich den Kriegsmühen unterzogen hat, so will ich einiges über die Stellung und Sitten derartiger Frauen in der Kürze einer mässigen Abschweifung vorbringen. Es gab also einst bei den Dänen Frauen, welche, ihre Gestalt in männliche Kleidung steckend, fast ihre ganze Lebenszeit auf die Pflege des Kriegsdienstes verwandten, um nicht die Kraft der Tapferkeit durch die Pest der Üppigkeit schwächen zu lassen. Eine feine Lebensweise hassend, pflegten sie Leib und Seele durch Ausdauer und Arbeit zu härten und den ganzen weichen, flüchtigen Weibersinn von sich weisend, zwangen sie ihre Frauen-Natur zu Männer-Rauheit. Jedoch auch Kenntnis des Kriegswesens eigneten sie sich mit solchem Eifer an, dass man glauben konnte, sie hätten ganz aufgehört, Frauen zu sein. Vorzüglich aber pflegten diejenigen diesen Lebensweg zu betreten, welche kräftigen Sinn oder einen schönen, schlanken Körperwuchs besassen. Diese


  1. Die Angabe, dass Harald Hildetand der Sohn des Borcarus und der Gro sei, ist ein Irrtum; ihr widerspricht auch Saxo selbst 24637, wo Harald Hildetand (Kampfzahn) ein Enkel des Borcarus ist [Boer, P. B. B. 22349].
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Saxo Grammaticus: Erläuterungen zu den ersten neun Büchern der Dänischen Geschichte des Saxo Grammaticus. Leipzig: Verlag von Wilhelm Engelmann, 1901, Seite 306. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Erl%C3%A4uterungen_zu_den_ersten_neun_B%C3%BCchern_der_D%C3%A4nischen_Geschichte_des_Saxo_Grammaticus_316.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)