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VII. Syrith. 301


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Stoss zurück die Hand Deiner bösen Herrin,

Fliehe schnellen Laufs von der wilden Hexe,
Komm zurück mit mir zu den lieben Schiffen,
     Lebe als Freie!
Wirf die Hut von Dir des befohlnen Zweizahns,

10
Lenke nicht den Schritt und den Weg der Ziegen,

Schenke als mein Weib meinem heissen Sehnen
     Süsse Erfüllung!
Die so lang und heiss durch das Land ich suchte,
Heb doch hoch zu mir die gesenkten Sterne,

15
Richte kurz nur auf Deine keuschen Augen,

     Leicht ist der Aufschlag.
Zu des Vaters Haus will ich Dich geleiten,
Froh zurück Dich bringen der lieben Mutter,
Wenn nur einmal Du meiner Bitte folgend

20
     Öffnest die Augen.

Die so oft[1] ich riss aus der Haft der Riesen,
Schenke doch huldvoll meiner Mühen Lohn mir,
Lass in Mitleid nun mit dem heissen Streben
     Schmelzen die Strenge.

„Weshalb hast Du denn tollwütig so thöricht zu handeln begonnen, dass Du lieber fremdes Vieh hüten und in der Dienerschaft von ungeschlachten Wesen[1] aufgeführt werden willst, als durch Zustimmung zu dem Bunde mit einem Gleichstehenden den Abschluss unserer Ehe zu fördern?“ Sie aber hielt trotz alledem ihre Augen mit unveränderter Starre der Augenlider geschlossen, damit nicht ihr standhafter, keuscher Sinn beim Anblicke der Aussenwelt wankend werde. Wie keusch und züchtig müssen die Frauen jener Zeit gewesen sein, die nicht einmal zu einem flüchtigen Augenaufschlage durch die stärksten Anreize des Liebenden bewogen werden konnten! Da also Othar auch durch die Verdienste einer zweiten Wohlthat den Blick der Jungfrau nicht hatte wecken und auf sich lenken können, so ging er, von Beschämung und Kummer gequält, zu seiner Flotte zurück. Als Syrith wie früher weithin die Felsen durchstreifte, [227] 227kam sie auf ihrer Irrfahrt zu den Sitzen des Ebbo; hier gab sie sich aus Scham über ihre Nacktheit und Bedürftigkeit für


  1. a b Saxo erwähnt nur einen Riesen und die Waldfrau.
Empfohlene Zitierweise:
Saxo Grammaticus: Erläuterungen zu den ersten neun Büchern der Dänischen Geschichte des Saxo Grammaticus. Leipzig: Verlag von Wilhelm Engelmann, 1901, Seite 301. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Erl%C3%A4uterungen_zu_den_ersten_neun_B%C3%BCchern_der_D%C3%A4nischen_Geschichte_des_Saxo_Grammaticus_311.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)