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272 Sechstes Buch.


mehr Nachdruck legen zu sollen auf das tüchtige und männliche Vorhaben, als auf die Lockungen des Ohren- und des Tafelschmauses. Er schleuderte also einen Knochen, von dem er das Fleisch abgegessen hatte, in das Gesicht des Musikanten und trieb mit gewaltsamem Schlage die Luft aus seinen aufgeblasenen Backen heraus, sodass sie zusammenklappten. Damit zeigte er, dass der sittliche Ernst keine Lust hat, Schauspielern Beifall zu spenden. Die durch den Zorn verschlossenen Ohren öffneten sich für keinen Genuss. Ein des Schauspielers würdiges Geschenk strafte mit bösem Lohne die unschöne Gefälligkeit: als ein Mann, der Verdienste sehr gut zu schätzen weiss, überwies er dem Pfeifer als Geschenk die Knochenröhre und widmete dem weichen Dienste einen harten Lohn. Hat nun der Künstler lauter gespielt oder lauter geheult? Ich weiss es nicht, auf jeden Fall hat er durch Vergiessen bitterer Thränen gezeigt, dass in einer liederlichen Brust mutiger Sinn wenig Platz einnimmt; denn er, der sich vollständig zum Untergebenen der Lust gemacht, hatte nicht gelernt, auch einmal ein hereinbrechendes Unglück still hinzunehmen. Seine böse Behandlung war eine Vorbedeutung für das nachkommende Blutbad bei der Mahlzeit. Sehr richtig entlohnte der Sinn, der den Ernst liebte, der mit festem Willen die Rache stets im Auge behielt, der aus dem Saitenspiel soviel Widerwillen, wie andere Wohlgefallen zog, den widerwärtigen Dienst mit dem schmählichen Wurfe eines Knochens; damit zeigte er deutlich, dass er grössere Verpflichtung fühle gegen die ruhmvolle Asche seines heldenhaften Freundes, als gegen die bösen Sitten seines schändlichen Pflegesohns. Darauf dichtete er zu grösserer Schmähung des Musikkünstlers noch ein derartiges Gedicht:[1]

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Die Königin aber staunte ob der Charakterstärke des Mannes, [204] 204die sie nicht hatte ausser Fassung bringen können und wurde eine Bewunderin dessen, den sie vergebens mit Ehrenerweisungen umschmeichelte.


  1. Das Gedicht fehlt.
Empfohlene Zitierweise:
Saxo Grammaticus: Erläuterungen zu den ersten neun Büchern der Dänischen Geschichte des Saxo Grammaticus. Leipzig: Verlag von Wilhelm Engelmann, 1901, Seite 272. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Erl%C3%A4uterungen_zu_den_ersten_neun_B%C3%BCchern_der_D%C3%A4nischen_Geschichte_des_Saxo_Grammaticus_282.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)