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den Fall rumänischer Städte oder irgend einen Fortschritt in West und Ost zu verkünden, war alles Leid verschwunden. Die Müdigkeit und Sorglichkeit, die sich einredet und noch lieber einreden läßt, war einer getrosten und zuversichtlichen Stimmung gewichen, es mußte wieder aufwärts gehen. Sittliche Grundkräfte sind doch am wirksamsten wie am deutlichsten da und dann, wenn Hemmungen entgegentreten, nicht augenblickliche, die den Widerstand hervorrufen und die Lust zur Abwehr in ihr selbst steigern, sondern wenn langsam hinzehrende das Gewohnheitsmäßige als lähmendes Kraft herausstellende Hinderungen nicht weichen wollen, längst gehegte Hoffnungen ebenso wenig sich verwirklichen als langaussichtige Befürchtungen und die sich hindehnenden Wochen durch die rein quantitative Gewalt erreichen wollen, was stets eingreifenden Ereignissen gelingt. Hier bricht langsam und bei jeder Berührung neu gestärkt die ὑπομονή hervor, dieser regelmäßige Atemzug und Pulsschlag des Charakters, dem ein apostolisches Wort den Ruhm der Abgeklärtheit und Ausgereiftheit zuspricht, diese stille Stärke, die in der Geschlossenheit von Wunsch und Wille jeder auch der peinvollsten Aufgabe gegenüber sich bewährt, habe ich bewundern können, wenn der Bauersmann im Soldatengewand die fremden Felder bestellte, sorglich, treulich, besinnlich als wäre es das eigene Gelände oder neidlos nach Hause meldet, wie gut sich die Ernte draußen anlasse, so schwer ihm die Erinnerung an das fallen mußte, was er gelassen hatte und ließ. Sein Feld ward mager bestellt, seiner Garben konnte er sich nicht freuen, aber er freute sich der Ernte, weil sie ihn hoffen ließ, auch wenn er nichts vom Eignen sah.

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 Wenn in den oft eigenartigen Kasernen, so dort in der Kahnkaserne auf einem der zahlreichen Kanäle, die Nordfrankreich durchziehen, in den bescheidenen Wohnräumen in dem lothringischen Parke, nahe an Gräbern von

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Hermann von Bezzel: Erinnerungen aus Berufsreisen an die Front. Krüger & Co., Leipzig 1917, Seite 29. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Erinnerungen_aus_Berufsreisen_an_die_Front_29.png&oldid=- (Version vom 19.7.2016)