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Emilia. Je eher, je besser. Denn wenn der Graf todt ist; wenn er darum todt ist – darum! was verweilen wir noch hier? Lassen Sie uns fliehen, mein Vater.

Odoardo. Fliehen? – Was hätt’ es dann für Noth? – Du bist, du bleibst in den Händen deines Räubers.

Emilia. Ich bleibe in seinen Händen?

Odoardo. Und allein; ohne deine Mutter; ohne mich.

Emilia. Ich allein in seinen Händen? – Nimmermehr, mein Vater. – Oder Sie sind nicht mein Vater. – Ich allein in seinen Händen? – Gut, lassen Sie mich nur; lassen Sie mich nur. – Ich will doch sehn, wer mich hält, – wer mich zwingt, – wer der Mensch ist, der einen Menschen zwingen kann.

Odoardo. Ich meyne, du bist ruhig, mein Kind.

Emilia. Das bin ich. Aber was nennen Sie ruhig seyn? Die Hände in den Schooß legen? Leiden, was man nicht sollte? Dulden, was man nicht dürfte?

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Gotthold Ephraim Lessing: Emilia Galotti. Christian Friedrich Voß, Berlin 1772, Seite 147. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Emilia_Galotti_(Lessing_1772).djvu/147&oldid=- (Version vom 31.7.2018)