Hendrik Antoon Lorentz: Elektromagnetische Erscheinungen in einem System, das sich mit beliebiger, die des Lichtes nicht erreichender Geschwindigkeit bewegt | |
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es in Bewegung gesetzt (und folglich deformiert) ist, ein Bewegungszustand auftreten, bei dem an dem entsprechenden Orte die Komponenten von , und dieselben Funktionen der Ortszeit sind.
Nur ein Punkt fordert noch genauere Erwägung. Da die Werte der Massen und aus der Theorie der quasi-stationären Bewegung abgeleitet sind, so erhebt sich die Frage, ob wir mit ihnen bei den schnellen Schwingungen des Lichtes rechnen dürfen. Nun findet man bei genauerer Betrachtung, daß die Bewegung eines Elektrons als quasi-stationär behandelt werden kann, wenn sie sich nur um wenig ändert während der Zeit, in der sich eine Lichtwelle um eine Strecke von der Länge des Durchmessers fortbewegt. Das trifft bei optischen Erscheinungen zu, weil der Durchmesser im Vergleich zur Wellenlänge außerordentlich klein ist.
11. Man sieht leicht, daß die vorgetragene Theorie eine große Zahl von Tatsachen erklärt.
Betrachten wir zunächst ein System ohne Translation, für das in einigen Teilen ständig ist. Dann haben wir im entsprechenden Zustand des bewegten Systems in entsprechenden Teilen (oder, wie wir sagen können, in den gleichen Teilen des deformierten Systems) , , . Da diese Gleichungen , , nach sich ziehen, wie man aus (26) und (6) erkennt, bleiben offenbar alle Teile, die dunkel waren, als das System ruhte, auch dunkel, nachdem es bewegt wurde. Es ist deshalb unmöglich, einen Einfluß der Erdbewegung auf irgend welche optischen, mit einer terrestrischen Lichtquelle gemachten Versuche zu entdecken, bei welchen es sich um die Beobachtung der geometrischen Verteilung von Licht und Dunkelheit handelt. Viele Interferenz- und Beugungsversuche gehören hierher.
Wenn zweitens in zwei Punkten eines Systems Lichtstrahlen von gleichem Polarisationszustande sich in der gleichen Richtung fortpflanzen, so läßt sich zeigen, daß das Verhältnis zwischen den Amplituden in diesen Punkten durch eine Translation nicht geändert wird. Diese Bemerkung findet auf solche Versuche Anwendung, bei denen die Intensitäten in benachbarten Teilen des Gesichtsfeldes verglichen werden.
Die eben gemachten Schlüsse bestätigen frühere Ergebnisse, die aber durch Überlegungen erhalten waren, bei denen Größen zweiter Ordnung vernachlässigt wurden. Sie enthalten auch eine Erklärung von Michelsons negativem Ergebnis, und zwar allgemeiner als die früher gegebene und der Form nach etwas von ihr verschieden. Sie zeigen ferner, warum Rayleigh und Brace keine Anzeichen einer durch die Erdbewegung hervorgerufenen Doppelbrechung beobachten konnten.
Das negative Resultat der Versuche von Trouton und Noble wird sofort klar, wenn wir die Hypothesen des § 8 heranziehen. Aus ihnen und
Hendrik Antoon Lorentz: Elektromagnetische Erscheinungen in einem System, das sich mit beliebiger, die des Lichtes nicht erreichender Geschwindigkeit bewegt. B. G. Teubner, Leipzig und Berlin 1913, Seite 21. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Elektromagnetische_Erscheinungen.djvu/16&oldid=- (Version vom 31.7.2018)