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der reformierten und der katholischen Kirche auf manchem Gebiete berühren. Ich möchte heute noch hinzufügen: Auch auf dem Gebiet der sogenannten Evangelisation. Es ist reformierte Weise Bekehrungen erzwingen zu wollen durch gewaltsame Eindrücke. So werden Evangelisationen veranstaltet während 10-14 Tagen, wobei täglich mehrere Predigten gehalten werden zur Besserung des kirchlichen Standes. Eine ganz ähnliche Einrichtung hat die römische Kirche in den sogenannten Missionen, die nichts anderes sind als derartige willkürliche Versuche Bekehrungen zu erzwingen. Das wird wenigstens aus allem entgegenleuchten, daß in der reformierten Kirche ein anderer Geist herrscht als in der Kirche der lutherischen Reformation. Weil aber das Sektenwesen ein besonders charakteristisches Kennzeichen der reformierten Art ist, so gehen wir zum 3. Punkt über zur


III.

Gefährdung durch die Sekten. Das Wort „Sekte“ ist aus dem Lateinischen genommen; es bedeutet nicht – wie man vielfach annimmt, – etwas Abgeschnittenes, sondern eine Richtung die man verfolgt. Das Gleiche bedeutet das griechische Wort Häresie. Im kirchlichen Sprachgebrauch unterscheidet man Häresie und Sekte, so daß zwar beide Trennung von der Kirche sind, aber Häresie mehr aus Gründen der Lehre, Sekte mehr aus Gründen des Lebens. Immer liegt der Nebenbegriff der Willkür darin und einigermaßen des mehr Vorübergehenden, während Schisma oder Spaltung mehr eine Trennung, die aus persönlichen Gründen irgendwie in der Christenheit erfolgte, bezeichnet. In der alten Kirche sind demnach Häretiker die Arianer, die sich um der Lehre willen von der allgemeinen Kirche schieden, während die Montanisten mehr als eine Sekte sich darstellen, da es sich bei ihnen mehr um das Leben gehandelt hat. Im Gebrauch des Wortes Sekte und Häresie wird man vorsichtig sein müssen und lieber von häretischen und sektiererischen Gemeinschaften oder Richtungen reden. Bei den Sekten ist nicht zu übersehen, daß sie meist von einem Punkt ausgehen, wo sie die Wahrheit vertreten und eine Mahnung für die Kirche sein müssen und ferner ist zu bedenken, daß man einer solchen Neubildung, wenn sie länger besteht, die Anerkennung einer kirchlichen Gemeinschaft nicht auf die Dauer verweigern darf. In der alten Kirche bildeten sich starke Häresien nach der Kirchenversammlung von Chalcedon 451, wo die Lehre von der Person Christi kirchlich festgesetzt wurde: die Nestorianer, die beide Naturen voneinander trennten und die Monophysiten, die die menschliche in die göttliche verwandelt werden ließen. Beide unterwarfen sich nicht den Beschlüssen der Kirchenversammlung und bildeten getrennte Kirchengemeinschaften, die bis heute bestehen. Die Nestorianer sind noch in Persien vertreten; Monophysiten sind besonders in der in den