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Chrysostomus in Konstantinopel † 407, ein Mann, der mit Ernst die Sünde strafte auch gegenüber dem kaiserlichen Hof, weshalb er in der Verbannung starb. Nebenbei gesagt erfahren wir aus seinen Predigten, daß damals die häßliche Sitte bestand, die so recht den Griechen gleichsieht, daß die Zuhörer an besonders schönen Stellen in Beifallsrufe ausbrachen, die einmal Chrysostomus sich verbittet. Die hervorragendsten Prediger des Abendlandes waren Ambrosius, Bischof von Mailand † 397 und Augustin, Bischof von Hipporegius † 430. Doch trat allmählich die Predigt immer mehr zurück, je mehr die liturgische Ordnung einseitig ausgebildet wurde. Mit der fortschreitenden Verweltlichung der Kirche entstand auch für den Gottesdienst die Gefahr der Veräußerlichung. So vollzog sich die weitere Ausbildung des Gottesdienstes in den Klöstern, in die anfangs diejenigen sich flüchteten, die von dem beginnenden Verderben der Kirche sich freihalten wollten. Viele der schönsten Bestandteile der mittelalterlichen Liturgie wie die Horen, die Tagesgottesdienste, über die man sich aus dem Eingang unserer Gottesdienstordnung näher unterrichten kann, sind ursprünglich Betstunden der Klostergeistlichkeit gewesen.

Im Morgenland, also in der griechischen Kirche, ist die herrliche Liturgie, die sie besitzt, sozusagen versteinert, nämlich so veräußerlicht, daß nur Chor und Geistlichkeit diese Liturgie gewissermaßen aufführt, während die Gemeinde ganz unbeteiligt bleibt, ja vielfach nicht einmal die Sprache versteht, da z. B. in Rußland die Gottesdienste nicht in russischer sondern in altslavonischer Sprache gehalten werden, die Predigt aber ganz fehlt. – Im Abendland wird mehr und mehr die Vorherrschaft der Messe bemerklich, die das Morgenland auch kennt und ihren Irrtum teilt, sie aber doch nicht in dem Maß in den Mittelpunkt gestellt hat wie die römische. Dadurch wurde zwar dem Gottesdienst eine reiche Liturgie gesichert und erhalten, aber von der Wahrheit stark abgewichen, da eine Anbetung dessen im Mittelpunkt steht, was, von dem falschen Opfergedanken gar nicht zu reden, der Herr nicht zur Anbetung sondern nur zum Empfang, zum Essen und Trinken und zur Stärkung des Glaubens seiner Gemeinde verordnet hat. Hier war es die Aufgabe der Reformation reinigend und erneuernd einzugreifen, nicht abzuschaffen, wie die reformierte Kirche tat, sondern zu reformieren, auf das Ursprüngliche zurückzugehen und doch zugleich weiter zu führen.

Wir reden nun


II.

von den Wesensbestandteilen des Gottesdienstes der Kirche der Reformation.

In der mittelalterlichen Kirche war das Gesetz durchweg wieder herrschend geworden und alles Aeußere im Gottesdienst war gesetzlich