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5. Stunde
am Montag, den 8. Oktober nachmittags.
Lied 303, 1-4. Psalm 77. Kollekte 222, 48.
Die Durchführung der Reformation der Kirche.

Man könnte die Frage stellen: Warum haben die Reformatoren vor der Reformation, von welchen wir gesprochen haben, eine Reformation der Kirche nicht zustande gebracht? Warum schlugen all ihre Bestrebungen zur Besserung des christlichen Kirchenwesens fehl? Man kann ja wohl deutlich einen Fortschritt wahrnehmen in dem Erkenntnisstand derer, die gegen die Mißbräuche in der Kirche aufgetreten sind. Die frühesten Bestrebungen gegenüber der beginnenden Verderbnis in der Kirche von denen wir hörten, der Montanismus, Donatismus und auch später die Katharer haben doch eigentlich nur die Mißbräuche in der Kirche gestraft und ans Licht gezogen. Positive Reformationsgedanken dagegen lagen ihnen meist noch ferner. Mit den Waldensern aber begann der große, wichtige Fortschritt, daß man dem Volke das Wort Gottes, die Bibel in die Hand geben wollte und vollends Wiclif und Hus kannten schon die Gerechtigkeit, die aus dem Glauben kommt. Damit war doch eigentlich schon gegeben und vorhanden, was man die Prinzipien, die Hauptgrundsätze der Reformation nennt. Wir sind gewöhnt zu sagen, daß das Reformationswerk von 2 großen Grundsätzen ausgegangen ist, deren einer auf die Quelle der Wahrheit geht, daß das die Schrift allein und ausschließlich ist, der andere aber auf den Inhalt der geoffenbarten Wahrheit sich bezieht, nämlich den Weg zum Heil und zur Gerechtigkeit aus Gnaden durch den Glauben allein. Diese beiden Grundsätze der Reformation waren doch schon von den späteren Waldensern, von Wiclif und Hus erkannt und geltend gemacht; man wird aber sagen müssen, daß den beiden Männern, Wiclif und Hus – und Hus besonders, der sonst am meisten die innere Kraft zu einem Reformator besessen hätte – eines gefehlt hat, nämlich die Erkenntnis dessen, was die Kirche ist. Beide nahmen eigentlich doch nur eine unsichtbare Kirche an und damit wird die sichtbare Kirche nicht gebaut. Das ist auch in der Gegenwart wohl fest zu halten. Ein in Diakonissenkreisen mit Recht hochangesehener Mann, D. Zöllner, früher Vorstand des Kaiserswerther Diakonissenhauses, jetzt Generalsuperintendent in Münster, der sich zu den Lutheranern innerhalb der preußischen unierten Landeskirche rechnet, hat vor etlichen Wochen in der gegenwärtigen Notzeit des Kirchenwesens den Vorschlag gemacht, man solle die bestehenden Landeskirchen