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Mißbräuche der römischen Kirche hat Luther sich gerne auf die alte Kirche berufen. Es kam ihm dabei zugute, daß die meisten Irrlehren des Mittelalters von der Kirche damals noch nicht bekenntnismäßig festgelegt waren, das ist erst nach der Reformation durch die neulich erwähnte Kirchenversammlung von Trident geschehen. Damals war die Irrlehre noch nicht kirchliches Bekenntnis und so konnte sich Luther immer auf die Väter – die älteren Kirchenväter – beziehen und hat das reichlich getan. Das ist auch in dem Hauptbekenntnis unserer Kirche, der Augsburgischen Konfession, geschehen, wo Melanchthon mit großer Klugheit gleich im 1. Artikel sich auf die Nizänische Kirchenversammlung bezieht, im lateinischen Text besonders nachdrücklich. „Mit großer Zustimmung der Kirche wird gelehrt, daß der Beschluß der Synode von Nicaea wahr und ohne irgend welchen Zweifel zu glauben sei.“ Also Luther bezog sich reichlich auf die Väter der alten Kirche, aber mehr noch, er bezog sich auf die Schrift. Die mittelalterliche Kirche lehrte ja, daß die richtige Auslegung der Schrift der Kirche und den Kirchenversammlungen in die Hände gegeben sei. Luther hielt auch die Kirchenversammlungen hoch und wir wollen auch gerne annehmen und mit ihnen bekennen, was mit der Schrift übereinstimmt. Aber Luther ist je länger je mehr auf die Schrift selber zurückgegangen. Das war schon im Anfang seines Werks der Fall, indem die 62. unter den 95 Thesen sagt: „Der wahre Schatz der Kirche ist das heilige Evangelium von Christi Gnade und Christi Herrlichkeit.“ Noch ausschließlicher auf das Wort wurde er geführt durch den sich anschließenden Kampf. Den 95 Thesen trat besonders der Professor D. Johann Eck aus Ingolstadt entgegen, dem Luther es gar nicht zugetraut hatte, der offenbar sich Ehre und Ruhm beim Papst durch den Kampf erringen wollte. Anfangs gingen die Streitschriften herüber und hinüber, dann nahm der römische Stuhl Kenntnis davon, nachdem der Papst anfangs nur einen Witz über die Sache gemacht hatte „ein betrunkener Deutscher“ habe das geschrieben und wenn er wieder nüchtern sei, werde er schon anders reden, oder ein ander Mal, „Bruder Martinus scheine ein feiner Kopf zu sein, weil er gerade diesen Punkt herausgegrissen hätte“. Später entschloß er sich doch, gegen Luther vorzugehen. Luther wurde nach Rom vorgeladen. Die Universität trat für ihn beim Kurfürsten ein und der Kurfürst, auf dessen Stimme viel gegeben wurde, vermochte den Papst dazu die Sache auf deutschem Boden ausgleichen zu lassen. So wurde Luther nach Augsburg vor den dort gerade anwesenden Kardinal Cajetan vorgeladen, der nichts weiter forderte als Widerruf und immer Widerruf. So wurde die Sache in eine etwas feinere Hand, in die Hand des sächsischen Edelmanns Karl von Miltitz gelegt, der nach Sachsen reiste, um dem Kurfürsten die goldene Tugendrose zu überbringen. Er versuchte die Sache auszugleichen.