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Begharden entgegen: die Beghinen sind die Frauen und die Begharden Männer, die in Lüttich zuerst auftretend, auf religiöse Bewegung zurückgehend, mehr auf bürgerlichem Gebiet gewirkt haben. Die besonders durch die Kreuzzüge einsam gewordenen Witwen und ohne Familie lebende Jungfrauen taten sich zu gemeinsamem Leben zusammen ohne besondere Mönchsgelübde. Sie bewohnten in einem Hof jede ein Häuschen, arbeiteten, pflegten in der Stadt und übten auch sonst noch Werke der Barmherzigkeit. Was sie mehr erwarben, wurde wieder zu Zwecken der Barmherzigkeit verwendet. Aehnlich machten es die Männer, die sich meist mit Spitzenweberei beschäftigten und ein kirchliches Leben führten ohne Mönchsgelübde. Allerdings sind die Beghinen und Begharden nicht der Verweltlichung und Veräußerlichung entgangen, ja sie vermengten sich mit den Brüdern und Schwestern des freien Geistes, die eine entschieden ungläubige Richtung vertraten. Aber nun treten unter dem Einfluß der niederländischen evangelisch gerichteten Männer die Brüder und Schwestern vom gemeinsamen Leben hervor. Gerhard Groot von Deventer hat 1384 die Vereinigung der Schwestern vom gemeinsamen Leben gestiftet, wieder ohne Nonnengelübde, ein freier Zusammenschluß solcher, die gemeinsam in der Gottseligkeit sich üben und Werke der Barmherzigkeit vollbringen wollten. Man kann sagen, daß diese Schwestern vom gemeinsamen Leben, denen sich die Brüder vom gemeinsamen Leben in getrenntem Dasein an die Seite stellten, zu den schönsten Blüten mittelalterlicher Frömmigkeit gerechnet werden können.

In einfacher, echt evangelischer Nüchternheit lebte auf dem Agnesenberg bei Zwolle in Holland Thomas von Kempen, der das einzige Erbauungsbuch schrieb, das die evangelische und die katholische Kirche gemeinsam haben, nämlich das Büchlein von der Nachfolge Christi, nicht frei von manchem was zu sehr nach Seiten der Mystik hin liegt und doch in Wahrheit echt evangelisch, auch die Bedeutung des Sakramentes nicht verkennend. Luther trat sehr für die Schwestern vom gemeinsamen Leben ein und billigte auch die Tracht, die sie trugen; freilich an eine Umgestaltung derselben im Sinn des Diakonissenberufs, an eine Einführung in seinem Kreise hat er nicht gedacht; es hat ihm wohl der Anlaß dazu völlig gefehlt.

Wir haben gestern von der göttlichen Weltregierung gesprochen, die ebenso in der Zulassung wie in der Lenkung und Zielsetzung sich betätigt. Heute sagen wir: der Herr Christus sitzt allewege zur Rechten des Vaters und lenkt seine Kirche. Er hat dafür gesorgt, daß doch allezeit eine heilige Kirche sein und bleiben mußte. Es bleibt, wenn wir auf die Zeit des Mittelalters zurücksehen der Trost, den Gott einst den Propheten Elias zur Zeit des Abfalls gegeben hat, daß noch 7000 Gläubige vorhanden waren, die ihre Kniee dem Baal nicht gebeugt hatten.