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Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen

74 189—192. Sonore und Geräuschlaute.


Greräuschbildung der wesentlichere Factor ist, man also meist nur von stimmhaften Geräuschlauten zu sprechen hat.

189. Für die Praxis ordnet man daher diese Mischlaute besser der Gesammtgruppe der Geräuschlaute unter, und zerlegt demnach besser so:

  1. Sonore.
  2. Geräuschlaute, und zwar:
    1. Stimmhafte.
    2. Stimmlose.

190. Man achte genau auf den Unterschied der Begriffe stimmhaft und sonor. Jeder Sonorlaut ist zwar zunächst auch stimmhaft (doch vel. 197 f.), aber nicht umgekehrt jeder stimmhafte Laut auch ein Sonorlaut. Ebenso hüte man sich vor Verwechselungen zwischen sonor und sonantisch. Sonor bezeichnet einen bestimmten akustischen Werth gewisser Laute, sonantisch aber bezieht sich auf die Functionen beliebiger Laute bei der Silbenbildung (116).

191. Die vorstehenden Bestimmungen sind zunächst nur für das laute Sprechen massgebend; sie lassen sich aber auch ohne weiteres auf die Murmel- und Flüstersprache übertragen, wenn man statt der Vollstimme die Murmelstimme bez. das Flüstergeräusch einsetzt. Die Terminologie braucht dabei nicht besonders abgeändert zu werden.

192. Eine vollkommen feste Grenze zwischen den Sonorlauten und den stimmhaften Geräuschlauten kann nicht gezogen werden. Bei normaler Sprechweise bestehen die Sonoren lediglich aus resonatorisch modificirter Stimme, d.h. der tönende Luftstrom bringt weder durch seinen Anfall an die Wände des Ansatzrohrs noch durch Reibung an den Rändern einer entgegenstehenden Enge ein deutliches eigenes Geräusch hervor. Doch ist das hierzu nothwendige Gleichgewichtsverhältniss zwischen der Druckstärke und der Hemmung im Kehlkopf einerseits und der Weite der Ausflussöffnung andererseits leicht Störungen ausgesetzt, welche die Bildung von Nebengeräuschen veranlassen. Insbesondere kommen hierbei in Betracht: 1) Verengerungen der Ausflussöffnung; 2) Steigerung des Exspirationsdrucks ohne gleichzeitige Verstärkung des Widerstands im Kehlkopf; 3) Erschlaffung der Kehlkopfarticulation (eventuell Oeffnung der Knorpelglottis, 33) bei gleichbleibendem Exspirationsdruck. Im ersteren Fall genügt bereits die geringe fortschreitende Bewegung des tönenden Luftstroms im Mundraum, um an der verengerten Ausflussöffnung ein Geräusch zu erzeugen; in den beiden andern Fällen wird diese fortschreitende Bewegung so gesteigert,

Empfohlene Zitierweise:
Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen. Breitkopf & Härtel, Leipzig 1901, Seite 74. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Eduard_Sievers_-_Grundz%C3%BCge_der_Phonetik_-_1901.djvu/94&oldid=- (Version vom 23.5.2022)