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Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen

172, Die Articulationen des Kehlkopfs. 67


Cap. 8. Die Artieulationen des Kehlkopfs.
a. Allgemeines.

172. Der Kehlkopf besitzt im Gegensatz zum Ansatzrohr nur eine Articulationsstelle, die Stimmritze. Dagegen weist er gegenüber den drei Articulationsstufen des Ansatzrohrs (Weitstellung, Reibestellung, Verschlussstellung, 130 fi.) ein entschiedenes Mehr von Stufen auf. Es sind nämlich mindestens folgende, zum Theil wieder in sich abgestufte Stellungen zu unterscheiden (vgl. dazu 68 f.):

1) Weitstellung: die Stimmritze ist so weit geöffnet, dass die ausgetriebene Luft ohne geräusch- oder klangbildende Hemmung hindurchstreichen kann. Der Kehlkopf nimmt in diesem Falle an der Schallbildung keinen Antheil. Er wirkt höchstens insofern activ oder positiv mit, als die Stimmritze gegenüber der ganz weiten Stellung beim freien Athmen beim Sprechen mehr oder weniger verengt sein kann, um den Luftdruck besser reguliren bez. ein übermässiges Ausströmen von Sprechluft vermeiden zu können. Diese relative Engenstellung der Stimmritze kann natürlich dem Grade und der Form nach verschieden sein.

2) Die Reibestellung, genauer die Hauchreibestellung: die Stimmritze ist soweit verengt, dass die ausgetriebene Luft an ihren Rändern ein mehr oder weniger deutlich hauchartiges bez. von einem Hauche begleitetes Reibungsgeräusch erzeugt. Dies ist z. B. der Fall bei den deutlicher geriebenen Formen der stimmlosen h (392).

3) Die Flüsterstellung, genauer gesagt die Gruppe der Flüsterstellungen (81 f.): die Stimmritze ist so weit verengt, dass eines der specifischen Flüstergeräusche entsteht. Von den Producten der Hauchreibestellung unterscheiden sich diese durch das Fehlen des hauchartigen Charakters.

4) Die Stimmstellung, genauer gesagt die Gruppe der Stimmstellungen (72 ff.): die Stimmritze ist so weit verengt und die Stimmbänder sind derart elastisch gespannt, dass sie durch die ausgetriebene Luft in Klangschwingungen versetzt werden.

5) Die Murmelstellung (84 f.), eine Art Mittelstufe zwischen Stimm- und Flüster- oder Reibestellung, bei der zugleich Klang und Reibegeräusch erzeugt wird. Eine Unterart hiervon ist die Hauchmurmelstellung (87), bei der die

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Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen. Breitkopf & Härtel, Leipzig 1901, Seite 67. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Eduard_Sievers_-_Grundz%C3%BCge_der_Phonetik_-_1901.djvu/87&oldid=- (Version vom 23.5.2022)