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Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen

66 171. Die Faucallaute.


mehr gesenkt oder mehr in die Höhe gezogen sein kann. Es ist daher streng genommen auch nur eine Gruppe von Faucallauten anzusetzen (innerhalb deren nach Massgabe der folgenden Capitel stimmlose und stimmhafte, Fortes und Lenes u. dgl. zu unterscheiden sind). Dagegen wird der Klang der Faucalen stark beeinflusst durch die durch gleichzeitigen Mundverschluss oder -halbverschluss bedingte verschiedene Resonanz: man glaubt also z. B. beim Uebergang von p zu m (faucale Explosion nach labiofaucalem Schluss) einen p-ähnlichen, beim Uebergang von t zu n (faucale Explosion nach dentifaucalem Schluss) einen t-ähnlichen Explosivlaut zu hören, u.s. w. Bei den stimmhaften Verschlusslauten b, d, g wirkt ausserdem der verschiedene Klang des Blählauts (357) in derselben Richtung. In unseren Schriftsystemen haben daher die Faucallaute keine gesonderte Bezeichnung empfangen, und da sie, wie wir gesehen haben, thatsächlich an Mundschlüsse oder -halbschlüsse gebunden sind, so kann man sie wohl als Unterabtheilungen der Mundverschlusslaute betrachten, die aus ihnen durch den assimilatorischen Einfluss nasaler oder nasalirter Laute hervorgehen. Sie werden also wie die lateralen Verschlusslaute hauptsächlich erst in der Combinationslehre weiter behandelt werden.

171. In den ersten Auflagen dieses Buches sind die Faucale als Velare bezeichnet worden, weil sie durch Action des Gaumensegels, velum palati, erzeugt werden. Da indessen bei den Zungengaumenlauten die verschiedenen Unterarten in der Hauptsache nicht nach den verschiedenen Theilen der articulirenden beweglichen Zunge, sondern nach den verschiedenen Theilen des festen Munddachs unterschieden werden, gegen welches die Zunge articulirt, so empfiehlt es sich auch hier den Namen nicht von dem articulirenden beweglichen Velum, sondern von der festen Wand der Fauces abzuleiten, zumal der Name Velare jetzt fast allgemein zur Bezeichnung der ‘Gutturalen’ im alten Sinne, d. h. der durch Articulation der Hinterzunge gegen das Velum palati gebildeten Laute, verwendet wird- (vgl. oben 163). Ganz einwandfrei ist freilich auch der Name ‘Faucale’ nicht, da er die Beziehungen der betr. Laute zu den Nasenlauten nicht scharf hervortreten lässt und auch eine Articulation der Zunge gegen die Rachenwand möglich ist (149), deren Producte aber praktisch doch den Velaren zugerechnet werden müssen. Man muss eben auch hier des Satzes eingedenk sein, dass eine Benennung nur a potiori geschehen kann.

Empfohlene Zitierweise:
Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen. Breitkopf & Härtel, Leipzig 1901, Seite 66. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Eduard_Sievers_-_Grundz%C3%BCge_der_Phonetik_-_1901.djvu/86&oldid=- (Version vom 23.5.2022)