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Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen

155—158. Vordere Zungengaumenlaute. 61


hat dann namentlich zuerst Michaelis strenger die Orte und Arten der Articulation (ob dorsal oder coronal gebildet) zu unterscheiden gelehrt, da diese namentlich bei der Bildung von Spiranten (s-Lauten) sehr wesentlich sind. So erhalten wir von oben beginnend:

a. Laute coronaler Articulation.

155. 1. Cerebrale (dies die übliche, wenn auch falsche Uebersetzung des sanskr. mūrdhanya, des indischen Namens dieser Lautclasse) oder cacuminale (M. Müller), auch höchst unpassend von einigen als linguale bezeichnet; deutlicher ist der englische Name ‘inverted’. Die Zungenspitze ist hier nach dem Gaumendache auf- und zurückgebogen. Dorsal gebildete Nebenformen dieser Ulasse gibt es meines Wissens nicht, die angegebene Zungenstellung lässt ihre Bildung nicht wohl als möglich erscheinen. — Es fallen hierher die bekannten Cerebrallaute der dravidischen Sprachen und des Sanskrit (, ṭh, , ḍh, , ṣ̌, , Brücke’s t², d² u. s. w., Sweet’s (t⸸), d⸸) u. s. w.), auch im Schwedischen sind sie häufig; im Englischen kommt cerebrales dialektisch vor.

156. 2. Alveolare, Brücke’s t¹, d¹ u.s.w., Sweet’s , Lundell’s Supradentale. Der Zungensaum wird durch Hebung der Vorderzunge nach den Alveolen der Oberzähne hingeführt, ohne die Oberzähne selbst zu berühren, aber auch ohne ersichtliche Rückbiegung der Zunge, die zu cerebraler Articulation führen würde. Bei der räumlichen Ausdehnung der Alveolen sind eine ziemliche Anzahl von Varietäten möglich: man kann etwa vordere und hintere Alveolare unterscheiden, je nachdem die eigentliche Articulationsstelle mehr an der Unterfläche oder der nach innen gewendeten Seite der Alveolen stattfindet. Alveolare t, d, n u. s. w. sind in Deutschland sehr verbreitet.

157. 3. Postdentale (Lundell), Sweet’s point-teeth consonants, von Michaelis noch unterschieden in Superficiale (nach der superficies interna dentis) und Marginale, je nachdem die Articulation zwischen Zungensaum und der Hinterfläche oder dem untern Rande der Oberzähne stattfindet. Hierher gehören die t, d mancher Sprachen, auch z. Th. das engl. th. Brücke’s t⁴, d⁴ u. s. w. umfassen auch noch die folgende Gruppe, die

158. 4. Interdentale (Brücke, Sweet, Lundell). Wir verstehen hierunter nur diejenigen Laute, bei welchen der

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Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen. Breitkopf & Härtel, Leipzig 1901, Seite 61. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Eduard_Sievers_-_Grundz%C3%BCge_der_Phonetik_-_1901.djvu/81&oldid=- (Version vom 23.5.2022)