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Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen

150. 151. Die Zungengaumenlaute. 59


dem mittleren oder hinteren Theile des Zungenrückens artieulirt werden. Das erstere umfasst, wie man sieht, die Dentale des alten griechischen Systems (einschliesslich der sanskritischen Cerebrale), das zweite die sog. Palatale, das dritte die Gutturale der älteren Terminologie, die man aber deutlicher und besser als Velare bezeichnet.

150. Was den zweiten Punkt anlangt, so sind zu unterscheiden:

A. Mediane Articulation: die Articulationsstelle liegt in der Mittellinie des Mundes, und zwar:

1. Coronale Articulation: die Articulation wird durch den vorderen Zungensaum bewirkt, welcher sich als eine mehr oder weniger scharfe Kante dem Gaumen entgegenstellt (z.B. beim Zungenspitzen-r und verschiedenen der sog. Dentallaute).

2. Dorsale Articulation: die nothwendigen Engen bez. Verschlüsse werden durch Emporheben eines Theiles des Zungenrückens (z. B. beim j des vordern, bei k, ch des hintern) zum Gaumen gebildet.

Ueber besondere Modificationen dieser beiden Articulationsweisen bei den sog. emphatischen Lauten s. unten 166.

B. Laterale Articulation: hier liegen die charakteristischen Engen oder Verschlüsse zwischen den Seitenrändern der Zunge und den Backenzähnen (bei den l-Lauten).

151. Die Articulationen des hinteren und mittleren Theils der Zunge sind aus leicht ersichtlichen Gründen sämmtlich dorsal, was die Gestalt der Zungenoberfläche anlangt (wodurch laterale Articulation natürlich nicht ausgeschlossen ist). Die Zungenspitze aber vermag wegen ihrer grösseren Beweglichkeit sowohl coronal als dorsal zu articuliren. So bilden denn die sog. Dentale im herkömmlichen Sinne des Wortes eine Vermittelung zwischen den Gruppen coronaler und dentaler Bildung, indem man zu ihnen sowohl coronal als dorsal gebildete Laute rechnet. Eine Art Uebergangsstufe scheinen die gewöhnlichen s-Laute zu bilden. Bei diesen ist nämlich der äusserste Zungenrand ein wenig nach unten umgeknickt, so dass die eigentliche Enge mit einem dicht hinter dem Zungensaume gelegenen Theile des Zungenrückens gebildet wird. Für diesen Theil der Zungenspitze hat Sweet den Ausdruck blade ‘Zungenblatt’ eingeführt.

Empfohlene Zitierweise:
Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen. Breitkopf & Härtel, Leipzig 1901, Seite 59. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Eduard_Sievers_-_Grundz%C3%BCge_der_Phonetik_-_1901.djvu/79&oldid=- (Version vom 23.5.2022)