Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen | |
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58 | 148. 149. Die Zungengaumenlaute. |
allein aber ist eigentlich das bewegliche Instrument der Articulation.
Durch ihre Formveränderungen (unterstützt durch die
Hebung und Senkung des Unterkiefers) werden hauptsächlich
die betreffenden Engen oder Verschlüsse zu Wege gebracht.
Das Munddach verhält sich dabei mehr passiv, namentlich der
ganze harte Gaumen. An dem festen Dache des Mundraums
werden daher am besten die Orte zu markiren sein, an denen
die Articulation stattfindet. Ein zweiter Gesichtspunkt für die
Charakteristik der Linguopalatale- ist gegeben in der Frage
nach der Form der Theile, mit welchen die Zunge articulirt.
149. Gehen wir, um die Frage nach den Orten der Articulation
zu beantworten, von den sog. ‘Gutturalen’ der alten
Terminologie aus, so ist der äusserste Verschlusslaut dieser
Reihe nach rückwärts zu ein tiefes k, das durch Berührung des
hinteren Zungenrückens mit einem möglichst weit nach hinten
und unten gelegenen Theil des Munddachs gebildet wird (man
kann dabei selbst bis unter die Region des Zäpfchens hinabsteigen).
Es ist nun ohne Weiteres klar, dass man von hier aus
nach vorn fortschreitend nach einander jeden Theil der Zunge
mit einem entsprechend gelegenen Theile des Munddachs in
Berührung bringen, dass man die Berührungsstelle ganz allmählich
und unmerklich von hinten nach vorn verschieben kann.
Jeder der verschiedenen Berührungsstellen muss ein eigener
Laut entsprechen, und ganz analog verhalten sich die neben
den Verschlüssen einhergehenden Engenbildungen und ihre
Lautproducte. Man bekommt also eine continuirlich abgestufte
Reihe von Lauten, deren Anzahl der Theorie nach unendlich
ist. In der Praxis aber werden jedesmal eine ganze Reihe
solcher Laute, die sich durch einen wesentlich gleichen Klangcharakter
auszeichnen, zu einer Einheit zusammengefasst, so
dass für die Articulation eines jeden Lautes ein gewisser Spielraum
innerhalb bestimmter Grenzen gelassen wird. Unsere
Ausdrücke Palatale, Dentale, Gutturale u. s. w. weisen also,
wie die meisten Namen für Sprachlaute oder deren Gruppen,
nicht auf eine absolut feststehende Articulation oder einen unabänderlich
fixirten Sprachlaut, sondern sie bezeichnen nur
sanze Lautkategorien, deren Anordnung sich nach der Verwandtschaft
ihrer Articulationsweisen und deren Anzahl sich
nach ihrem Vorkommen in gegensätzlicher Verwendung bestimmt
(s. 119). Im Allgemeinen aber wird es genügen, zunächst
drei grosse Gebiete, ein vorderes, mittleres und hinteres
aufzustellen, je nachdem die Laute mit der Zungenspitze,
Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen. Breitkopf & Härtel, Leipzig 1901, Seite 58. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Eduard_Sievers_-_Grundz%C3%BCge_der_Phonetik_-_1901.djvu/78&oldid=- (Version vom 23.5.2022)