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Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen

54 138, 139. Die Articulationsarten des Ansatzrohrs.


4. Aus 2 und 5 nasalirte Spiranten, wie sie an Stelle einfacher Mundspiranten in ‘nasalirenden’ Sprachen, z. B. vielfach im nordamerikanischen Englisch, auftreten. Die Nasalirung ist meist nur gering, da sich sonst, bei der doppelten Ausflussöffnung, das spirantische Reibungsgeräusch zu leicht verlieren würde.

5. Aus 3 und 4 die Mundverschlusslaute oder Verschlusslaute im engeren Sinne; hierher gehören die sog. Tenues k, t, p und Mediae g, d, b nebst ihren Aspiraten (Cap. 15).

6. Aus 3 und 5 die sog. Nasale, m, n, u. s. w. (Cap. 13), die, wie bereits oben 123 angeführt, als nasalirte Mundverschlusslaute aufgefasst werden können.

138. Die Praxis hat diese 6 Classen von Lauten, aus denen ohnehin die vierte meist in Wegfall kommt, noch weiter reducirt, indem sie die zweite nur als eine Unterabtheilung der ersten betrachtet, während sie 5 und 6 als getrennte Olassen bestehen lässt. Ein Gesammtname für die in unserer ersten (lasse vereinigten Laute ist bisher nicht üblich gewesen, man kann dafür etwa (mit Bezug auf die 188 festgestellte Unterscheidung von Sonoren und Geräuschlauten) den Namen Mundsonore gebrauchen. Ulasse2 wäre demnach als die der nasalirten Mundsonoren zu bezeichnen. Olasse 3 und 5 pflegen schlechthin als Spiranten und Verschlusslaute aufgeführt zu werden. Für Ulasse 6 ist von Alters her der Name Nasale üblich gewesen; seit Brücke ist dafür auch der nichtssagende Name Resonanten aufgekommen, der besser vermieden wird.

139. Man unterscheide in der Praxis scharf zwischen einem Nasal als einem Laute unserer sechsten, und einem nasalirten Laute als einem unserer zweiten (und vierten) Classe. Namentlich aber muss vor einer Vermischung der dritten und fünften Classe, insbesondere vor einer Verwechselung der Ausdrücke Spirans (zu Cl.3) und Aspirata (zu C1.5) nachdrücklichst gewarnt werden. Die grosse Verwirrung, an welcher lange Zeit z. B. die Lehre von der Entwicklung der Medialaspiraten in den indogermanischen Einzelsprachen litt, ist wesentlich eine Folge unklarer Vorstellungen auf diesem Gebiete gewesen. Obwohl die hier in Betracht kommenden Verhältnisse so ausserordentlich einfach sind, hat man doch die in sich selbst widerspruchsvollsten Definitionen mit Ruhe hingenommen; wie wenn z. B. Corssen das lat. f als eine ‘labiodentale Spirans mit festem Kern’ bezeichnete. Von einem solchen Kern, unter dem wohl ein Verschluss verstanden werden soll, kann natürlich bei einer Spirans keine Rede sein. Geht der Spirans ein Verschluss voraus, so bekommen wir einen Doppellaut, eine Affricata, d.h. Verschlusslaut + Spirans (s. 454 ff.), folgt der Oefinung des Verschlusses ein einfacher

Empfohlene Zitierweise:
Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen. Breitkopf & Härtel, Leipzig 1901, Seite 54. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Eduard_Sievers_-_Grundz%C3%BCge_der_Phonetik_-_1901.djvu/74&oldid=- (Version vom 23.5.2022)