Seite:Eduard Sievers - Grundzüge der Phonetik - 1901.djvu/72

Diese Seite wurde noch nicht korrekturgelesen. Allgemeine Hinweise dazu findest du auf dieser Seite.
Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen

52 131—136. Die Articulationsarten des Ansatzrohrs.


Wände des Hohlraums, den die articulirende Mundhöhle bildet, ganz schwache Geräusche hervor, die sich indessen (als sog. Anfallgeräusche) von den Engenreibungsgeräuschen deutlich unterscheiden. Der Mundraum dient in diesem Falle fast nur als Resonanzraum. Dies ist z. B. gewöhnlich der Fall bei den stimmhaften Vocalen und Nasalen, meist auch den r- und l-Lauten, d. h. derjenigen Gruppe, welche nach den Erörterungen von 188 ff. als Sonorlaute zu bezeichnen sind.

131. 2. Reibungsstellung: Der Mundcanal ist an einer bestimmten Stelle so weit verengt, dass der Exspirationsstrom an den Rändern der Enge ein reibendes Geräusch erzeugt. Dies geschieht z. B. bei Lauten wie f, s, ch oder franz. engl. v, z u. ä.

132. 3. Verschlussstellung: Der Mundcanal ist an einer Stelle vollkommen geschlossen, z.B. an den Lippen bei b, p, hinter oder an den Zähnen bei d, t, am Gaumen bei g, k, aber auch z. B. bei den sog. Nasalen m, n, , s. unten 137, 6.

133. Mit diesen Stellungen combiniren sich nun die verschiedenen Stellungen, welche das @Gaumensegel als Regulator des zweiten Mundausgangs einnimmt. Dieser letzteren scheint es nur zwei zu geben, da bisher (abgesehn vom Schnarchen) eine Stellung desselben nicht beobachtet worden ist, welche zur Erzeugung eines Reibungsgeräusches durch einen durch die Nase geführten Luftstrom diente. Es kommen also nur folgende Stellungen in Betracht:

134. 4. Der Nasenraum ist durch Anpressen des Gaumensegels an die hintere Rachenwand abgesperrt, also von der Articulation ausgeschlossen. So werden die meisten Sprachlaute gebildet; man kann diese demnach als reine Mundlaute bezeichnen.

135. 5. Der Eingang zum Nasenraum ist durch Senkung des Gaumensegels geöffnet. Bei dieser Stellung entstehen Laute, die man als Mundnasenlaute charakterisiren kann, weil bei ihrer Erzeugung sowohl Mund- wie Nasenraum betheiligt sind. Bezüglich der verschiedenen Betheiligungsweisen des Nasenraums s. oben 128.

136. Das Verhalten des Gaumensegels bei der Bildung der Sprachlaute, insbesondere der Vocale, hat lange den Gegenstand einer Controverse gebildet, und es sind eine Menge zum Theil sehr mühsamer Experimente ausgeführt worden, um die Frage nach dem vollständigen Abschluss der Nasenhöhle speciell bei der Bildung der reinen Vocale objeetiv zu entscheiden (vgl. z. B. Brücke, Grundzüge 28; Wiener Sitz.-Ber., math.-naturw.

Empfohlene Zitierweise:
Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen. Breitkopf & Härtel, Leipzig 1901, Seite 52. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Eduard_Sievers_-_Grundz%C3%BCge_der_Phonetik_-_1901.djvu/72&oldid=- (Version vom 23.5.2022)