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Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen

118. Sonant und Consonant. 119. Was sind Einzellaute? 43


vermeiden und sich mit dem Substantiv ‘Dominant’ oder ‘Sonant’ und den Adjectivis silbisch und unsilbisch zu behelfen.

118. Hiermit wäre für den functionellen Theil der Lautforschung, welcher die Verwendung der Sprachlaute zur Silbenund Satzbildung zu behandeln hat (s. unten Cap. 25 ff.) ein erster Grund gelegt. Die Eintheilung nach dem Princip der Sonanz und Consonanz ist aber natürlich nicht geeignet, zur Grundlage für die Betrachtung des Wesens der Laute zu dienen, welche sich vielmehr auf die Bildung der Laute und den daraus resultirenden akustischen Werth derselben zu richten hat.

3. Was sind Einzellaute?

119. Hier ist nun etwas genauer auf die Frage einzugehen, was denn ein Einzellaut (oder Einzelelement) sei und was für dessen Charakteristik in Betracht komme. Streng theoretisch wäre wohl zu antworten, dass darunter ein isolirbares Etwas (meist ein Schall) zu verstehen sei, das durch eine bestimmte Zusammenwirkung bestimmter Factoren der Sprachbildung und nur durch diese erzeugt wird. Aber in der Praxis hat Niemand daran gedacht, diesen Satz in voller Strenge durchzuführen. Um überhaupt eine Uebersicht über die zahllose Menge der Einzellaute, die durch jene Definition gegeben sind, zu ermöglichen, hat man stets eine Anzahl naheverwandter Laute zu einer Gruppe oder Kategorie zusammengefasst und als ‘Einzellaute’ betrachtet. So fasst man z. B. alle diejenigen Schälle unter der Kategorie des ‘Lautes’ a zusammen, welche bei einer gewissen Mundstellung und tönender Stimme hervorgebracht werden können, ohne Rücksicht auf Tonhöhe, Stärke u. s. w. der einzelnen Lautexemplare, aus deren Gesammtheit die Kategorie a abstrahirt ist. Diese Verallgemeinerung kann nur geschehen, wenn man gewisse Factoren der Sprachbildung als nebensächlich für die Definition ignorirt. So ist in dem gegebenen Beispiel a abgesehen worden von der qualitativen Art der Hemmung im Kehlkopf, nach der sich Tonhöhe, Reinheit oder Rauhheit des Klanges u. s. w. reguliren, und von der Grösse des Stromdrucks, welche die Stärke der verschiedenen Einzel-a bedingt. Dies Verfahren ist an sich willkürlich, aber praktisch berechtigt, weil a von verschiedener Tonhöhe, Stärke u. dgl. thatsächlich von den Sprechern und Hörern nicht als

Empfohlene Zitierweise:
Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen. Breitkopf & Härtel, Leipzig 1901, Seite 43. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Eduard_Sievers_-_Grundz%C3%BCge_der_Phonetik_-_1901.djvu/63&oldid=- (Version vom 23.5.2022)