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Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen

113. 114. Vocal und Consonant. 41


Consonanten, wie in hand, bald. Aber auch ohne dies kann derselbe Functionswechsel eintreten, z. B. durch Anschiebung eines ‘Vocals’, wie in berittne, behandle, sobald diese Wörter dreisilbig ausgesprochen wer den. Der Vocal allein ist aber wiederum nicht massgebend, denn man kann eben so gut auch be-rit-tn-(n)e, be-han-dl-(l)e viersilbig aussprechen, ohne zwischen t-n, d-l ein e einzuschieben, d.h. man kann den n, l auch vor einem ‘Vocal’ ‘vocalische’ Function ertheilen. Genauer betrachtet, betrifft dies aber wieder nur die erste Hälfte der n, l, denn ihre zweite Hälfte wird doch als Anlaut der letzten Silbe -ne, -le und zwar als ‘Consonant’ empfunden. Auch unter einander können n und n beliebig ihre Functionen vertauschen; in handeln, gesprochen han-dln, ist l ‘Vocal’, n ‘Consonant’, in schallend, gesprochen schal-lnd, umgekehrt. Ja, die Spaltung desselben Lautes in einen ‘vocalischen’ und einen ‘consonantischen’ Theil, die wir eben in be-rit-tn-(n)e u. s.w. kennen lernten, kann sogar so weit ausgedehnt werden, dass derselbe Laut zwei ganze Silben für sich allein ausfüllt und dabei abwechselnd als ‘Vocal’, ‘Consonant’, ‘Vocal’ und wieder ‘Consonant’ fungirt. Das geschieht z. B. in Worten wie berittenen, welche man sehr häufig als be-rit-tn̩-nn̩n aussprechen hört (man spreche rasch und unbefangen einen Satz wie: die berittenen Offiziere...., und man wird fast unwillkürlich zu dieser Aussprache greifen ; mit bezeichne ich nach Kräuter hier das n in ‘vocalischer’ Function). Ein und derselbe Laut wird also fortwährend zwischen den beiden Kategorien hin- und hergeworfen, und vielfach hängt es sanz vom Belieben des Sprechenden ab, ihm die eine oder die andere Function zuzutheilen.

Worin der Unterschied dieser Functionen besteht, soll gleich hier mit einigen Worten zur weiteren Klarlegung des Gesagten angedeutet werden; wir werden dann weiter unten in dem Abschnitt über die Silbenbildung eingehender darauf zurückkommen (515 ff.).

113. Zur Bildung einer Silbe genügt, wie eine einfache Sprechprobe lehrt, schon ein einziger Sprachlaut. So stellen beispielsweise die isolirt gesprochenen Vocale a, e, i, o, u functionell zugleich fünf isolirte Silben dar. Ein jeder so functionirende Laut ist also hinsichtlich seiner Function ohne Weiteres als silbenbildend oder kürzer als silbisch zu bezeichnen.

114. Andrerseits können aber auch mehrere Laute zu einer Silbe zusammentreten, vgl. etwa Silben wie na, la, ba, pa oder

Empfohlene Zitierweise:
Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen. Breitkopf & Härtel, Leipzig 1901, Seite 41. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Eduard_Sievers_-_Grundz%C3%BCge_der_Phonetik_-_1901.djvu/61&oldid=- (Version vom 23.5.2022)