Seite:Eduard Sievers - Grundzüge der Phonetik - 1901.djvu/58

Diese Seite wurde noch nicht korrekturgelesen. Allgemeine Hinweise dazu findest du auf dieser Seite.
Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen

38 108. Eintheilung der Sprachlaute. 109. 110. Vocal u. Consonant.


Auf der andern Seite sind diese Pausen und Explosionen in der Sprache im Allgemeinen derart an einander gebunden, dass man sie für praktische Zwecke getrost unter éinem Namen zusammenfassen kann. Als solcher Name empfiehlt sich nach wie vor die alte Bezeichnung Verschlusslaute, weil dieser die Einstellung der Organe richtig angibt, welche sowohl zur Pausenbildung wie für Explosionen nothwendig ist. Natürlich müssen diesen ‘stimmlosen Verschlusslauten’ = ‘Folgen von Pause und Explosion’ noch die stimmhaften Schallgebilde zugerechnet werden, welche entstehen, wenn während derselben Articulationsfolge die Stimme ertönt, bei denen also statt der Pause als erstes Glied der durch die Verschlussstellung gedämpfte Stimmton erscheint.

108. Zusammenfassend können wir hiernach constatiren, dass die Sprache allerdings aus lautenden und nicht lautenden Elementen besteht, dass aber die letzteren hinter den ersteren so zurücktreten und derartig an sie gebunden sind, dass man unter gebührenden Cautelen den althergebrachten Namen Sprachlaute für die verschiedenen Elemente der Sprache beibehalten darf.

Nach diesen Vorerörterungen können wir uns der Frage nach der Eintheilung und Gruppirung der verschiedenartigen Sprachlaute zuwenden.

2. Eintheilung der Sprachlaute im Allgemeinen.

109. Seit den ältesten Zeiten zerlegt die Grammatik die Masse der Sprachlaute in zwei grosse Hälften, Vocale und Consonanten. Diese Eintheilung hat einen nicht geringen praktischen Werth, insofern sie einen wesentlichen Functionsunterschied der Laute bei ihrer Verbindung zu Silben und Wörtern im Ganzen richtig bezeichnet. Sie ist ausserdem mit unserer gesammten einschlägigen Terminologie, überhaupt mit allen Forschungen über Lautlehre so innig verwachsen, dass es wohl für unmöglich gelten muss, sie vollständig durch eine andere zu ersetzen, obschon sie, namentlich mit Rücksicht auf ihre Verwendung auf dem Gebiete wissenschaftlicher Lautlehre, an manchen Gebrechen leidet. Von diesen sollen hier nur die zwei am meisten in die Augen fallenden erwähnt werden.

110. Der erste, principielle, Fehler ist der, dass bei der von den römischen Grammatikern überkommenen Zerlegung der Sprachlaute in vocales und consonantes Beobachtungen

Empfohlene Zitierweise:
Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen. Breitkopf & Härtel, Leipzig 1901, Seite 38. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Eduard_Sievers_-_Grundz%C3%BCge_der_Phonetik_-_1901.djvu/58&oldid=- (Version vom 23.5.2022)