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Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen

83. Die Flüsterstimme, 84—87. Die Murmelstimme. 29


83. Im ausdrücklichen Gegensatz zu Helmholtz (Tonempfindungen S. 170), welcher nur die mittlere Form anzuerkennen scheint, verweise ich auf die wichtigen Ausführungen von Üzermak, Wiener Sitz.-Ber., math.naturw. Cl. XXIX (1858), 570 ff. (daraus wiederholt in seiner Schrift über den Kehlkopfspiegel S. 69 ff., beidemal mit vorzüglichen Abbildungen der verschiedenen Articulationsformen des Kehlkopfs) und besonders LII (1865), 623 ff., mit denen meine eigenen laryngoskopischen Beobachtungen vollkommen übereinstimmen.

c. Die Murmelstimme.

84. Eine Art Mittelstellung zwischen der Vollstimme und dem Flüstern nimmt die Murmelstimme (Halbstimme) ein, deren man sich beim Murmeln, d. h. halblauten Sprechen bedient und die auch in verschiedenen Variationen beim Stöhnen erzeugt wird. Beim lauten Sprechen tritt sie nicht selten an unbetonten Stellen der Rede ein, z. B. im Deutschen gewöhnlich bei der Bildung des sog. geschwächten e (Weiteres s. 279 ff.).

85. Von der Vollstimme unterscheidet sich die Murmelstimme insbesondere dadurch, dass die Stimmbänder infolge zu weiter Stellung und zu geringen Stromdrucks nur schwach und unvollkommen ansprechen, der Stimme also Flüster- und Hauchgeräusche beigemischt werden, welche die beim Murmeln entweichende Nebenluft hervorbringt. Sie kann vermuthlich durch beliebig schlaffe Articulation des Kehlkopfs erzeugt werden, vielleicht aber ist für sie typisch die zuerst von Üzermak, Wiener Sitz.-Ber., math.-naturw. Ol. LII (1865), 630 beobachtete Bildungsweise, dass die Knorpelglottis geöffnet bleibt (vgl. auch Grützner S. 224).

86. Das Mischungsverhältniss von Stimme und Hauchoder Flüstergeräusch kann sehr verschieden sein. Ueberwiegt das Stimmelement, so kann die Murmelstimme sich der Vollstimme sehr nähern, so zwar, dass eine ganz bestimmte Grenze vielleicht überhaupt nicht festzulegen ist, namentlich nicht zwischen sog. ‘dumpfer’ Sprechweise und dem eigentlichen Murmeln. In jedem Falle wird aber hier die Murmelstimme als das Beherrschende, also als eine Parallele zur Vollstimme empfunden.


87. Ueberwiegt andrerseits der Hauch, so kann das Stimmelement auch für die Empfindung dahinter zurücktreten: man wird dann nicht sowohl von ‘gemurmelter’ oder ‘gehauchter’ ‘Stimme’ als vielmehr von einem ‘stimmhaften (oder genauer gemurmelten) Hauch’ reden. Solche stimmhafte

Empfohlene Zitierweise:
Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen. Breitkopf & Härtel, Leipzig 1901, Seite 29. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Eduard_Sievers_-_Grundz%C3%BCge_der_Phonetik_-_1901.djvu/49&oldid=- (Version vom 11.5.2022)