Seite:Eduard Sievers - Grundzüge der Phonetik - 1901.djvu/48

Diese Seite wurde noch nicht korrekturgelesen. Allgemeine Hinweise dazu findest du auf dieser Seite.
Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen

28 80. Die Vollstimme. 81.82. Die Flüsterstimme.


mannigfache Abstufungen der Qualität, je nachdem die Stimmbänder mehr oder weniger gegen einander gepresst, mehr oder weniger straff, mit grösserer oder geringerer Elastieität gespannt werden, u. dgl. Sie dienen insbesondere dem Ausdruck der verschiedenen Affecte (vgl. 678). Ueber die intermittirende oder Knarrstimme s. 309.

80. Die besondere Stimme, deren sich die Bauchredner bedienen, besteht theils in einer schwachen, gedämpften Fistelstimme, theils in einem Quetschton, der durch starkes Aufeinanderpressen der Stimmbänder gebildet wird. Im Uebrigen aber wird die Täuschung besonders durch den Contrast dieser ‘Bauchstimme’ und der natürlichen Stimme des Bauchredners hervorgebracht.

b. Die Flüsterstimme.

81. Beim Flüstern (engl. whisper) ist die Stimmritze wie bei der Kopfstimme nicht völlig verschlossen; zugleich ist aber - der Stromdruck soweit herabgesetzt, dass der Druckstrom nicht mehr die Kraft hat, die Stimmbänder zum Tönen zu bringen, sondern nur durch seine Reibung an ihnen Geräusche, die bereits oben genannten Kehlkopfgeräusche zu erzeugen. Diese verhalten sich, soweit es ihr akustischer Charakter zulässt, der Stimme analog. Allerdings kommen dabei die Unterschiede bezüglich der Tonhöhe mehr in Wegfall, so dass man wesentlich nur verschiedene Grade der Stärke und der Rauhigkeit unterscheiden kann. Dieselben sind ihrerseits bedingt durch die Stärke des Drucks auf der einen, und die Energie und die Art der Engenbildung auf der andern Seite. Hinsichtlich dieser letzteren sind drei Hauptformen zu unterscheiden.

82. Die erste Form kann man die des sanften Flüsterns nennen. Hier ist bei ganz geringem Stromdruck die ganze Stimmritze spaltförmig verengt. Verstärkt man den Stromdruck, um damit zum mittleren Flüstern überzugehn, so wird gleichzeitig die Bänderglottis geschlossen, so dass nur die Knorpelglottis offen bleibt. Dies mag die gewöhnlichste Bildungsweise sein; nur ausnahmsweise begegnet man der dritten Form, der des heiseren Flüsterns (wheeze der Engländer). Bei dieser sind auch die Taschenbänder in ihrem vordern Theile geschlossen; der Kehldeckel wird gleichzeitig stark gesenkt, so dass nur eine kleine Oeffnung für die Luft bestehn bleibt. Diese Form verlangt übrigens sehr starken Druck und ermüdet den Kehlkopf wegen der energischen Oontraction aller seiner Theile sehr schnell.

Empfohlene Zitierweise:
Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen. Breitkopf & Härtel, Leipzig 1901, Seite 28. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Eduard_Sievers_-_Grundz%C3%BCge_der_Phonetik_-_1901.djvu/48&oldid=- (Version vom 11.5.2022)