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Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen

76—79. Die Vollstimme. 97


Stimmbandmuskel zieht sich zusammen und gestaltet so den ganzen Stimmbandkörper zu einer festen, elastischen Masse. Durch den aus den Lungen kommenden Luftstrom wird der in dieser Weise gebildete Verschluss des Kehlkopfs derart unterbrochen, dass die Stimmbänder für einen Moment nach oben und damit zur Seite gedrängt werden, um im nächsten vermöge ihrer Elasticität wieder zusammen- und nach unten durchzuschlagen, worauf derselbe Vorgang von neuem beginnt. So entsteht eine Reihe discontinuirlicher Luftstösse, welche durch ihre rasche periodische Aufeinanderfolge im Ohre die Empfindung des Klanges hervorrufen.

76. Bei der Kopfstimme wird der Stimmbandmuskel nicht contrahirt; die Stimmritze ist in ihrem vorderen Theile nicht ganz geschlossen, sondern nur bis auf einen schmalen elliptischen Spalt verengt; die Stimmbänder schwingen (nach den stroboskopischen Untersuchungen von Carl Müller und Oertel, vgl. Grützner 97) zwar wie bei der Bruststimme in ihrer ganzen Breite, aber nicht als ganze Massen, sondern so, dass sich sagittale Knotenlinien darin bilden. Ferner findet Berührung der Innenränder beim jedesmaligen Durchgang durch die Articulationslage nicht statt, sondern der erwähnte Spalt wird nur in periodischer Folge erweitert und verengt. Die hierdurch entstehenden Luftpulsationen verhalten sich übrigens bezüglich ihrer Einwirkung auf das Ohr ebenso wie die der Bruststimme.

77. Genaueres über diese beiden, sowie die zum Theil noch daneben angenommenen anderen Register s. bei Grützner S. 87 ff.

78. Innerhalb beider Register liegt eine lange Reihe von Klängen verschiedener Tonhöhe. Diese hängt nach 17 von der Schnelligkeit der Stimmbänderschwingungen ab, und diese wird wieder bestimmt durch das Verhältniss des jeweiligen Stromdrucks zu der Länge und der Spannung der Stimmbänder.

79. Die Stimmqualität endlich beruht, abgesehen von Verschiedenheiten des feineren anatomischen Baues bei den einzelnen Individuen, hauptsächlich auf der verschiedenen Art der Einstellung der Stimmbänder. Bei der gewöhnlichen Sprechstimme wirken die Stimmbänder meist mehr oder weniger als aufschlagende Zungen, d. h. ihre Ränder schlagen beim Durchgang durch die Mittelstellung auf einander auf; bei der Singstimme sind sie präciser als durchschlagende Zungen eingestellt, d. h. ihre Ränder berühren sich eben nur beim Durchgang durch jene Stellung. Innerhalb beider Stimmarten, besonders aber in der Sprechstimme, gibt es wieder

Empfohlene Zitierweise:
Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen. Breitkopf & Härtel, Leipzig 1901, Seite 27. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Eduard_Sievers_-_Grundz%C3%BCge_der_Phonetik_-_1901.djvu/47&oldid=- (Version vom 11.5.2022)