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Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen

55—58. Die Functionen der Sprachorgane im Allgemeinen. 21


innern Bau des ganzen Organs womöglich durch das Studium anatomischer Präparate, sei es vom menschlichen, sei es vom thierischen Körper. — Von ausführlicheren Beschreibungen, wie sie sich fast in jedem anatomischen oder physiologischen Handbuch finden, nenne ich hier nur als für die Zwecke des Sprachstudiums besonders empfehlenswerth (auch wegen der Abbildungen) die von Merkel, Laletik S.5—36, auf welche auch die hier gegebene Darstellung vielfach zurückgeht, und den Atlas von Techmer; weitere Literatur s. bei Grützner 38 ff.

Cap. 4. Die Funetionen der Sprachorgane im Allgemeinen.
(Ruhelage. Articulation. Respiration. Die Stimmregister. Schallbildende und schallmodifieirende Articulationen.)
1. Die Ruhelage des Sprachorgans.

55. Während des ruhigen Ein- und Ausathmens ist die Respiration einer willkürlichen Einwirkung von Seiten des Individuums in der Regel nicht unterworfen. Das Ansatzrohr und der Kehlkopf befinden sich dabei in einer Stellung, welche der Athmungsluft gestattet, ungehemmt und geräuschlos hindurchzuströmen. Die Stimmritze ist zu diesem Zwecke in ihren beiden Theilen weit geöffnet. Das Gaumensegel hängt schlaff herab, so dass der Athmungsstrom sowohl in die Mundhöhle wie in den Nasenraum eintreten kann. Die Zunge liegt schlaff in der Mundhöhle, welche sie zum Theil ausfüllt. Die Kiefer sind mässig von einander entfernt, die Lippen normalerweise geschlossen. Wir nennen diese Lagerung der Organe die Indifferenz- oder Ruhelage.

56. Genauere Angaben, namentlich über die Stellung der Zunge, lassen sich nicht machen, weil hier zu viele individuelle Abweichungen in Frage kommen. Diese zu bestimmen ist die Sache des einzelnen Beobachters.


57. Die Ruhelage des Sprachorgans ist die natürliche Basis für die einzelnen Articulationsbewegungen, welche zur Bildung von Sprachlauten führen (vgl. 58). Es ist daher wichtig, dass der Beobachter sich von vorn herein der Lagerung der einzelnen Theile seines Sprachorgans, namentlich des Ansatzrohrs, klar bewusst werde und sein Muskel- und Tastgefühl bezüglich dieser Theile dergestalt übe, dass er jede Bewegung alsbald bemerkt und nach ihrer Richtung, Stärke u.s. w. abschätzen lernt.

2. Der Begriff der Articulation.

58. Eine Erzeugung von Sprachlauten findet nicht statt, so lange Kehlkopf und Ansatzrohr in der Ruhelage verharren

Empfohlene Zitierweise:
Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen. Breitkopf & Härtel, Leipzig 1901, Seite 21. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Eduard_Sievers_-_Grundz%C3%BCge_der_Phonetik_-_1901.djvu/41&oldid=- (Version vom 11.5.2022)